Es gibt in dem Film auch sehr komische Momente – etwa, wenn den vom Virus infizierten Personen plötzlich die Haare auf der Brust zu wuchern beginnen ...
Das Schönste an dem Film ist das Brust-Toupet, das meine Kollegin Bibiana Beglau trägt. Das hat mich sehr glücklich gemacht, als ich es zum ersten Mal gesehen habe. Manchmal denke ich in dunklen Momenten daran – und es geht mir sofort wieder gut. Es sieht einfach zu toll aus (lacht).
Die gern gestellte Frage: „Sind Frauen die besseren Menschen?“ beantwortet der Film mit einem klaren „Nein“. Wie sehen Sie das?
Ich würde diese Frage mit einem klaren Ja beantworten. Der Film beantwortet sie mit Nein, weil es eine Satire und dementsprechend überzogen ist. Aber gerade das mag ich: Dass der Film nicht moralisch ist. Wenn am Ende die Moral der Geschichte hieße: „Sobald Frauen an der Macht sind, wird die Welt heil“ – dann wäre das ja auch ein bisschen fad. Ich persönlich hingegen glaube sehr, dass, wenn wir mehr Frauen in höheren Positionen hätten, die Welt besser wäre.
Haben Sie das Gefühl, dass eine jüngere Männergeneration anders tickt?
Aus eigener Erfahrung glaube ich das schon. Das Schöne am Theaterspielen ist ja, dass sich ein Ensemble aus allen Altersklassen zusammensetzt. Bei uns reicht die Bandbreite von 21 bis 90. Nicht, dass meine 90-jährigen Kollegen machtgeile Herren wären, im Gegenteil ... (lacht). Ich meine, dass die junge Männergeneration viel reflektierter ist.
Der Film basiert auf einem Roman von 1974, der auf die Frauenbewegung der 70er-Jahre abzielt und den Geschlechtern den Spiegel vorhält. Wo finden Sie Anschluss an gängige Debatten zur Geschlechterfrage?
Ich glaube, die wichtigste Frage unserer Gesellschaft ist, dass wir aufpassen müssen, wen wir bald in der Regierung haben und wo diese Parteien uns als Frauen sehen. Das ist das Relevanteste, das gerade in meinem Kopf herumspukt. Das heißt es zu verhindern.
Es geht in „Die geschützten Männer“ natürlich auch sehr stark um Männerbilder. Sie haben selbst zwei Kinder – einen Buben und ein Mädchen. Was ist Ihnen bei der Erziehung wichtig?
Ich glaube, bei beiden ist es in der Entwicklung ganz wichtig, dass sie das Wort „Nein“ kennen. Klare Grenzen zu setzen und einhalten zu können. Und meinen Buben versuche ich, zum feministischen Mann zu erziehen. Manchmal ist er genervt … (lacht)… aber da muss er durch.
Sind Sie selbst in einem feministischen Umfeld aufgewachsen?
Ich glaube, mein Vater (Thommy Hörbiger, Anm.) war ein großer Feminist. Ich hatte zwei Brüder, die genauso erzogen wurden wie ich. Alles, was meine Brüder können, kann ich auch und umgekehrt. Das reicht von Eisfischen über Fußballspielen bis hin zu Brotbacken. Also, ich würde sagen: Ja.
Sie spielen am Burgtheater das Stück „Burgtheater“, basierend auf dem Stück von Elfriede Jelinek. Da geht es um die Nazi-Verwicklungen Österreichs anhand der Schauspielerdynastie Wessely-Hörbiger. Sie selbst waren zuerst mit dem Stück nicht ganz einverstanden, oder?
Ich hatte ein gespaltenes Verhältnis zu dem Stück, weil es vieles in einen Topf wirft – etwa meinen Großvater (Paul Hörbiger, Anm.), der definitiv kein Nazi war. Er saß am Ende des Krieges sogar in Haft. In dem Stück wird er über einen Kamm geschert und zum Nazi erklärt. Deswegen war ich gegenüber dem Stück immer sehr gespalten. Ich habe zwar immer verstanden, warum es Elfriede Jelinek so geschrieben hat, aber ich fühlte mich ein bisschen beleidigt – auch weil ich stolz auf die Haltung meines Großvaters war. Mittlerweile habe ich mich mehr damit beschäftigt und sehe alles ein bisschen anders. Jetzt bin ich definitiv Team Jelinek.
Hat sich durch die Teilnahme an dem Stück etwas für Sie geändert?
Nein, aber ich habe viel darüber nachgedacht. Milo Rau macht ja eine Art dokumentarisches Theater, bei dem sich die Schauspieler auch selbst einbringen. Zuerst habe ich mich gewehrt, weil ich nichts von mir erzählen wollte. Aber dann dachte ich mir: Okay, was habe ich persönlich dem Thema hinzuzufügen? Es hat sehr lange gedauert, bis ich wusste, was ich erzählen will.
Was wollten Sie erzählen?
In dem Stück geht es zentral um den Nazi-Propagandfilm „Heimkehr“ mit Paula Wessely und Attila Hörbiger. Aber mein Großvater hat auch sehr viel während des Dritten Reichs gedreht – über hundert Heile-Welt-Filme mit Wiener Schmäh. Diese Filme waren im Endeffekt das Beruhigungsmittel des Nationalsozialismus und haben den Menschen eine schöne Zeit vorgegaukelt. Wenn man darüber nochmals nachdenkt, sehe ich nicht mehr so einen großen Unterschied zu einem krassen Propagandafilm. Insofern war er auch ein Nutznießer des Systems.
Inwiefern haben Sie dann Ihre eigenen Erfahrungen in die Rolle einfließen lassen?
Ich kenne eine Geschichte von Paul Hörbiger – und die finde ich sehr interessant; und die habe ich dann weitergedacht. Mein Großvater wurde nach dem Krieg aus dem Todesgefängnis in Spandau, wo er in Haft saß, entlassen. Er kehrte nach Wien zurück und ging noch am selben Abend ins Burgtheater. Er betrat die Loge im Ronacher, das nach dem Krieg die Ausweichspielstätte des Burgtheaters war, gezeichnet von Typhus, abgemagert und kahl geschoren. Aber irgendwer im Publikum hat ihn erkannt und angefangen zu klatschen. Dann sind alle aufgestanden und haben minutenlang applaudiert. Und ich habe mich gefragt: Für wen haben sie applaudiert? Für den Publikumsliebling, der sie das Schlimmste vergessen ließ? Oder war es der Nazi-Sympathisant, der am Anfang auch das bedingungslose Ja zum „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland vertrat? Oder war es der Bekehrte, der zum Schluss Widerstand geleistet hat? Diese Überlegungen waren mein persönlicher Beitrag zu meiner Rolle.
Sie sagten vorher, dass Ihr Herz für das Theater blutet. Geben Sie dem Theater vor dem Film den Vorzug?
Ja, auf jeden Fall. Das hat sich irgendwann so eingespielt. Derzeit versuche ich aber gerade, ein bisschen weniger zu spielen und ein bisschen mehr im Film Fuß zu fassen.
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