Rankin erzählt seine skurrile Komödie „Universal Language“ (derzeit im Kino) in tragikomischen Episoden, die er ins leicht Absurde kippt: Zwei Kinder finden einen Geldschein auf dem Gehsteig, der allerdings so tief im Eis eingefroren ist, dass sie ihn nicht herauslösen können.
Ein Mann – gespielt von Matthew Rankin selbst – kehrt im Bus nach Winnipeg zurück, um seine alte Mutter zu besuchen. Unter den Mitfahrenden hockt auch ein gurgelnder Truthahn, sehr zum Ärger seiner Sitznachbarin. Bei der Mutter angekommen, findet er in ihrer Wohnung fremde Menschen vor, die ihn herzlich willkommen heißen.
Ein Touristenführer begleitet eine Besuchergruppe durch Winnipeg und zeigt ihnen – nichts. Liebevoll gruppiert er sie vor einem bräunlichen Gebäude im „beigen Bezirk“ und deutet auf die Fassade. „Haben hier berühmte Menschen gewohnt?“, will ein Tourist wissen. – „Nein“, so die logische Antwort.
„Das mache ich auch gerne“, sagt Regisseur Matthew Rankin heiter im KURIER-Gespräch: „Wenn ich Freunden in meiner Heimatstadt Winnipeg herumführe, zeige ich ihnen Orte, die banal und leicht absurd wirken, aber aus unerfindlichen Gründen eine Rolle in der Historie Winnipegs spielen. Diese Idee ist inspiriert von meinem Vater, der sich sein Leben lang hingebungsvoll mit der Geschichte der Stadt und ihren ungeliebten Plätzen befasst hat. Mir gefällt das, weil es mir gleichermaßen schön und absurd erscheint, an völlig leeren und unscheinbaren Orten Bedeutung zu finden.“
„Schön und absurd“ sei auch sein Film, führt Rankin weiter aus: „Ich wollte die Poetik des iranischen Kinos mit der surrealen Banalität von Winnipeg überblenden. Wir koexistieren alle in derselben Welt und sind miteinander verbunden. Deswegen habe ich auch die langweilige Architektur mit der gleichen spirituellen Hingabe gefilmt mit der Terrence Malick einen Sonnenuntergang filmen würde.“
Ein Film wie eine lange Umarmung
„Universal Language“ ist der zweite Langfilm von Matthew Rankin. Geboren 1980 in Winnipeg, katapultierte er sich 2019 mit seinem Debüt, der Satire „The Twentieth Century“ in die Aufmerksamkeit der cinephilen Weltöffentlichkeit. Als großer Fan des iranischen Kinos und Filmen wie „Wo ist das Haus meines Freundes?“ von Abbas Kiarostami oder Jafar Panahis „Der weiße Ballon“ träumte er als junger Mann davon, im Iran die Filmschule zu besuchen. „Das war sehr naiv von mir und hat nicht geklappt“, räumt er heute ein, „aber es hat mein Leben verändert – als Mensch und als Künstler. Seitdem befindet sich mein Leben in Dialog mit dem iranischen Kino.“
Rankin lernt Farsi „in Slow Motion“ und drehte „Universal Language“ in enger Zusammenarbeit mit iranischen Freunden. Die Idee zur Geschichte stammt von seiner Großmutter, die als Kind während der Großen Depression einen Zwei-Dollar-Schein fand, der im Eis eingeschlossen war. Ursprünglich wollte er diese Geschichte mit den formalen Mitteln des iranischen Kinos erzählen, doch dann wurde etwas anderes daraus: „Die Idee, Teheran in Winnipeg zu suchen und umgekehrt, bekam etwas sehr Beflügelndes“, so Rankin: „Wie können wir eine Welt erschaffen, die sowohl Winnipeg als auch Teheran enthält? Der Film ist eine künstlerische Antwort auf diese Frage. Das hat etwas Absurdes, denn natürlich gibt es eine unwahrscheinliche Verbindung zwischen diesen beiden Orten. Aber genau diese unwahrscheinliche Verbindung ist es auch, die uns alle als Menschen verbindet. Mein Film ist aus einer Position der Freundschaft und Solidarität entstanden und geht über nationale Grenzen hinweg. Die Menschen darin gehen sehr behutsam und sanft miteinander um. Er ist wie eine lange Umarmung.“
Und auch ein Hauch von Melancholie lässt sich in „Universal Language“ nicht verleugnen, wenn Matthew Rankin in seiner Rolle als Reisender zurückkehrt und sein Zuhause gleichermaßen vertraut und fremd vorfindet: „Meine Eltern sind kurz vor der Pandemie gestorben“, erzählt der Regisseur: „Wenn man zum Waisen wird, sieht man die Dinge anders. Auch das war ein Ausgangspunkt meines Films – die Welt mit neuen Augen zu sehen und sich selbst im anderen zu suchen.“
Kommentare