Maria Lassnig lebte schon lange in New York, als sie 1980 der Ruf ereilte, nach Wien zurückzukehren: Bundesministerin Hertha Firnberg bot ihr eine Professur an der Universität für angewandte Kunst an. Zwölf Jahre hatte die in Kärnten geborene Künstlerin in New York verbracht, und es fiel ihr schwer, die Stadt zu verlassen.
Sie komme nur, wenn man ihr genauso viel zahlen würde wie Joseph Beuys, soll Maria Lassnig gesagt haben. Zu ihrer Überraschung wurde die Bedingung erfüllt, und sie kehrte im Alter von 60 Jahren nach Österreich zurück. In Wien übernahm sie an der Angewandten eine Professur für Malerei und war damit die erste Frau, die an eine deutschsprachige Kunstuniversität berufen wurde.
Heute zählt die österreichische Malerin Maria Lassnig (1919–2014) längst zu den bedeutendsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, auch wenn sich der Erfolg für sie erst Anfang der 80er-Jahre einstellen sollte. Besonders mit ihren berühmten „Körperbewusstseinsbildern“ machte sie bis ins hohe Alter Furore.
Zeichentrickfilm
Weit weniger bekannt als ihre Malerei sind Lassnigs filmische Arbeiten. In New York hatte sie einen Zeichentrickfilmkurs besucht und begonnen, selbst geschriebene, gezeichnete und experimentelle Kurzfilme anzufertigen. Zudem kam sie mit amerikanischen Feministinnen in Kontakt, gründete mit Kolleginnen wie Carolee Schneemann oder Martha Edelheit die Gruppe „Women/Artist/Filmmakers, Inc.“ und organisierte Filmvorführungen.
Als Lassnig nach Österreich zurückkam, hatte sie daher auch eine Filmrolle im Gepäck. Darauf befanden sich acht Filme, die heute als kanonisch gelten und öffentlich gezeigt wurden.
Doch das war nicht alles. Verspätet mit dem Schiff erreichte eine weitere Kiste Österreich – bis obenhin vollbepackt mit Filmmaterial.
„Diese Kiste stand auf einem Dachboden“, erinnert sich Hans Werner Poschauko, ehemaliger Lassnig-Student und bis zu ihrem Tod ihr Assistent, im KURIER-Gespräch: „Was machen wir mit deinen Filmen?“, wollte er von Lassnig wissen und bekam zu Antwort: „Darum kümmerst du dich nach meinem Tod.“
Gemeinsam mit Mara Mattuschka, ebenfalls Ex-Lassnig-Studentin und heute als Regisseurin und Malerin tätig, übernahm Poschauko den filmischen Nachlass. Nach gut sechs Jahren Restaurierungsarbeiten erschien nun ein schönes Buch zu Lassnigs Filmwerk, dem eine DVD mit den posthum erschienen Filmen beigelegt ist (siehe Buchtipp): „Wir sind froh, dass wir unser Versprechen jetzt eingelöst haben.“
Sowohl Mattuschka als auch Poschauko erinnern sich gerne und enthusiastisch an die Zeit, als sie bei Lassnig studierten: „Die Ausbildung war sehr klassisch“, berichtet Mara Mattuschka: „Von zehn Uhr morgens bis 13 Uhr wurde Aktzeichnen geübt. Diese Art von intensivem Malunterricht ist nicht mehr üblich.“
„Sie hat uns verhätschelt“, schmunzelt Poschauko: „Wer ein schönes Porträt gemalt hatte, bekam Rumkokoskugeln zur Belohnung.“
An den Nachmittagen wurde dann frei experimentiert – nicht zuletzt im Trickfilm-Bereich: Gemeinsam mit ihrem damaligen Assistenten Hubert Sielecki hatte Lassnig 1982 das erste Trickfilmstudio Österreichs eingerichtet.
Coppola
In dem vielfältigen Fundus der restaurierten Filme aus den 70er-Jahren finden sich Animationen und experimentelle Arbeiten, aber auch kleine Kurzporträts ihrer Freundinnen, wie „Soul Sisters“ Alice, Hilde und Bärbl: „She has a weight problem, but that is not her real problem“, kommentiert Lassnig mit lakonischem Humor und schwerem österreichischen Akzent ihre Filmprotagonistin „Bärbl“, die mit ihren Kindern auf einem See herum rudert und nicht sehr glücklich dreinschaut.
„Ich glaube, ihr Hauptthema war das Porträt“, so Mattuschka über Lassnig: „Das Porträt ist die Parallele zwischen Film und Malerei.“
Völlig anders wiederum sehen die Filme „Godfather I, II und III“ aus, in denen die Künstlerin mitten durch die Dreharbeiten von „Der Pate II“ marschierte: Man sieht Francis Ford Coppola (kurz) inmitten seiner Komparsen im East Village stehen, die Zeitebenen fließen durch Überblendungen ineinander: „Dieser Film ist ein Juwel“, findet Mattuschka: „Sie ist in die Dreharbeiten hineingestolpert, weil sie ums Eck gewohnt hat.“
Tatsächlich liebte Lassnig das Kino, weiß auch Poschauko: „Sie war eine sehr große Kinogeherin. Seit den 50er Jahren ist sie, vor allem in Paris, viel ins Kino gegangen.“
Aber auch österreichisches Kulturleben findet sich in Lassnigs filmischem Nachlass: In dem Märchenkurzfilm „The Princess and the Shepherd. A Fairytale“ tänzelt etwa Gerhard Lampersberg als „funny Prince“ durchs Bild und wirbt um die Prinzessin. Lampersberg, Kärntner Komponist und Mäzen, war durch Thomas Bernhards Roman „Holzfällen“ zu ungewolltem Ruhm gelangt; auf seinem Tonhof in Maria Saal verkehrte auch Lassnig und traf dort auf Bernhard.
„Thomas Bernhard wollte, dass sie ein Porträt von ihm malt,“ erinnert sich Poschauko: Lassnig habe sich geziert, weil er ihr Angst gemacht hätte. In einem späteren Gespräch mit Lassnig vergleicht Poschauko sie mit dem Schriftsteller und sagt: „Du bist ja wie Thomas Bernhard: Eine Übertreibungskünstlerin.“ Darauf Maria Lassnig: „Ja, genauso seh ich auch meine Kunst: Man muss immer etwas übertreiben, sonst verstehen es die Leute nicht.“
Eszter Kondor, Michael Loebenstein, Peter Pakesch, Hans Werner Poschauko (Hrsg.): Maria Lassnig. Das filmische Werk. FilmmuseumSynemaPublikationen. 192 Seiten. 24 Euro
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