Manfred Honeck: Johann Strauss bildet die Wiener Seele ab

Honeck ist Chefdirigent des Orchesters von Pittsburgh.
Von: Susanne Zobl
Diesen Samstag erreicht das Strauss-Jahr seinen Anlass – den 200. Geburtstag des Walzerkönigs. Die Wiener Symphoniker feiern ihn im Musikverein mit Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter und dem Dirigenten Manfred Honeck. Mit einem Walzer- und Polkaprogramm à la „Neujahrskonzert“ gibt sich Honeck indes nicht zufrieden. Er habe etwas Neues bringen wollen. Zudem ließ ihm keine Ruhe, dass der hervorragende Geiger Strauss kein Violinkonzert geschrieben hat, erklärt er im KURIER-Gespräch.
Die Strauss-Kapelle sei so etwas wie die Beatles gewesen, setzt er fort. Naheliegend, dass nur Star-Komponisten für das „Neue“ infrage kamen. Die Wahl fiel auf den fünffachen Oscar-Preisträger John Williams und den Komponisten Max Richter. Deren Musik spreche die Menschen direkt an, sagt Honeck.
Warum braucht Strauss überhaupt ein Jubeljahr? „Es gibt einem die Möglichkeit, auf das Gesamtwerk hinzuweisen“, sagt er. „Es gibt wunderbare Kompositionen. Da fragt man sich, warum habe ich die vorher nicht gekannt?“
In unserer Zeit der Umwälzung habe man sich an moderne Technologien gewöhnt, aber Strauss’ Musik führe einen auf das Urmenschliche zurück. „Seine Musik kann die menschliche Seele wunderbar darstellen. Da gehört auch eine gewisse Melancholie dazu. Aber ich kenne kein Werk von Strauss, das im Morbiden verharrt. Da gibt es immer wieder dieses Umschwenken in eine große Freude.“ Und: „Man spürt Gemütlichkeit und Esprit.“
Stimmt es, dass Wiener Orchester Strauss anders, authentischer spielen als Klangkörper aus anderen Ländern? „Bei guten Musikern ist das Ergebnis gleich“, stellt Honeck klar, aber „natürlich haben die Wiener das im Blut“, denn Strauss’ Musik sei mit dem Wiener Dialekt eng verbunden. „Denken Sie an ,Wiener Blut‘. Das kann man nachsingen. Wenn Sie ,Weaner Blut‘ sagen, merken Sie diesen kleinen Schmierer. Der macht es aus. Und das sage ich dem Orchester auch immer wieder.“
Zwischen den Taktzeilen
Er erinnert an seine erste Zeit beim Pittsburgh Symphony Orchestra, dem er seit 2008 als Dirigent vorsteht. Bei den Thanksgiving-Konzerten habe er immer wieder Strauss aufgeführt. „Die Musiker waren gewohnt, das zu spielen, was in den Noten steht. Das darf man eben bei Strauss nicht. Aber ich war erstaunt, wie schnell sie das gelernt haben.“
Drängt sich da nicht ein Vergleich mit dem Dramatiker Arthur Schnitzler auf? Oft heißt es, nur Wiener könnten dessen Texte sprechen, meinten die Figuren doch immer wieder das Gegenteil von dem, was sie sagen. „Auch Mahler sagte, das Wichtigste habe er zwischen die Taktzeilen geschrieben“, sagt Honeck. „Diese Feinheiten sind heute vielfach verloren gegangen. Es geht um dieses Navigieren und dann mit der Melodieführung eine Botschaft zu bringen. Das ist die Kunst, die bei Johann Strauss ganz besonders gefordert wird und auf Brahms und Gustav Mahler ausstrahlt.“ Und einen Mahler ohne Strauss gäbe es gar nicht, fügt er hinzu.
Wenn schon von den USA die Rede ist, will man noch eins vom Chefdirigenten wissen: Wirkt sich Trumps Politik auch auf das Konzertleben aus? Die Antwort klingt beruhigend. „Bei uns in Pittsburgh ist das Kulturleben unberührt. Dass das Land etwas gespalten ist, wissen wir aus den News. In unserem Board kommen Republikaner und Demokraten gut miteinander aus. Politik ist kein Thema. Das ist die Stärke des Musikmachens. Musik soll die Menschen berühren, begeistern – und sich so gut wie möglich von der Politik fernhalten.“
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