"Macbeth": Mord ist ihr Hobby

Tatiana Serjan ist die Lady Macbeth an der Wiener Staatsoper, George Petean ihr Mordgehilfe und König.
Applaus für die Premiere von Giuseppe Verdis "Macbeth".

Ist es wirklich zu viel verlangt, wenn man von einer Premiere der Wiener Staatsoper das Besondere erwartet, das Außergewöhnliche, im Idealfall sogar das Exemplarische?

Sollte es nicht zwingende Gründe für eine Neuproduktion geben, etwa dirigentische, sängerische, szenische, werkimmanente – oder im Idealfall all diese Aspekte vereint?

Müsste man nicht bei jeder Premiere darauf hoffen, dass die Strahlkraft dieses einzigartigen Operntheaters künstlerisch weit über die Grenzen hinaus reicht?

Auf Nummer sicher

Nun, bei dieser Neuproduktion von Giuseppe Verdis "Macbeth" wird kaum etwas von diesen Erwartungen erfüllt. Aber man muss auch zugeben: An dieser Aufführung ist nichts wirklich schlecht (abgesehen von der Leistung von Jorge de León als Macduff, der so unpräzise und offensiv singt, wie der Jorge aus der RTL-Sendung "Let’s Dance" spricht). "Macbeth" am Ring bietet solides Mittelmaß. Im Repertoire würde man von gehobenem reden. Repertoiretauglichkeit – das war wohl das Ziel. Denn die letzte "Macbeth"-Produktion, jene kühne aus dem Jahr 2009 in der Regie von Vera Nemirova, war ein szenisches Desaster. Jetzt ging man auf Nummer sicher.

Alain Altinoglu, der am Freitag 40 wird und einer der gefragten Dirigenten seiner Generation ist, steht am Pult. Er hat mit dem Staatsopernorchester fein gearbeitet, das frühe Verdi-Werk wird farbenprächtig realisiert. Gespielt wird die Pariser Fassung von 1865, jedoch ohne Ballettmusik ( Riccardo Muti hatte diese 2011 in Salzburg noch in seine eigenwillige Version integriert).

Altinoglu setzt ganz auf die dramatische Kraft der Mörder-Oper, auf größte Dynamik. Dabei geht einiges an innerer Spannung verloren, statt feiner Differenzierung wird es oft plakativ. Dennoch ist Altinoglu, der neue Musikdirektor des Brüsseler Operntheaters La Monnaie, ein höchst engagierter und kundiger Kapellmeister, der den Autor dieser Zeilen zuletzt etwa im französischen Fach mehr beeindruckt hat.

Zeitgemäße Optik

Die Ausstattung von Gary McCann setzt der musikalischen Farbpalette Grautöne statt schottischer Folklore entgegen. Die Optik erinnert an ein Hotel von Jean Nouvel oder an das Mumok, wirkt also sehr modern (im Gegensatz etwa zu den Arbeiten von Jean-Louis Martinoty in Wien). Die Inszenierung von Christian Räth ist aber nicht sonderlich innovativ.

Der Regisseur scheint eine Geschichte über machtgeile Diktatoren erzählen zu wollen, einer nicht besser als der andere – so genau erschließt sich das aber nicht.

In den stark stilisierten Bildern (auch der Wald von Birnam wird nur mit Kreide auf die verschiebbaren Wände gemalt) enttäuscht vor allem die Personenführung.

Was treibt Macbeth wirklich an? Wie stark ist er von seiner Frau beeinflusst? Wie sehr muss ein Mann einer Frau verfallen sein, damit er für sie über Leichen geht? Auf diese Fragen gibt keine schlüssigen Antworten. Die Geschichte über Lady Macbeth und ihren Königs-Mordgehilfen ist von einer analytisch aufbereiteten Tragödie so weit entfernt wie " Mord ist ihr Hobby" vom "Schweigen der Lämmer".

Sehr gut sind zahlreiche Lichteffekte, etwa wenn der Geist des ermordeten Banquo erscheint oder wenn Blut auf dem Zwischenvorhang aufsteigt, um diesen ganz rot zu färben. Die Hexen (exzellent der ganze Staatsopernchor!) sind aufgewertet und auch abseits ihrer Szenen als Drahtzieher präsent. Optisch entsprechen sie Opernklischees.

Aus der Besetzung ragt Ferruccio Furlanetto als Banquo heraus – leider ist dieser zu rasch tot. George Petean ist ein nobel-timbrierter Macbeth mit fein geführtem Bariton, der jedoch kräftemäßig ans Limit stößt. Tatiana Serjan enttäuscht gleich bei der Briefszene, ihrem ersten Auftritt, und ist – für eine Lady Macbeth ungewöhnlich – in den wenigen lyrischen Momenten viel besser als bei den Attacken. Vor vier Jahren in Salzburg unter Muti war sie um vieles dramatischer. Jinxu Xiahou (Malcolm) und die anderen Sänger kleinerer Rollen sind bedeutend besser als Macduff.

Darf man sich wünschen, dass Anna Netrebko, wie zuletzt in München und in New York, bald auch in Wien die Lady singen möge?

KURIER-Wertung:

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