Low Life Rich Kids: Die Zerrissenheit zwischen Party und Politik

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Unbeschwertheit, die im Gegensatz zu den oft dystopischen Texten steht: Die Wiener Band veröffentlichte ihr Debütalbum.

„Was prescht da zurzeit permanent auf uns ein? Wann geht man in den Widerstand und den Aktivismus? Und wann in den Eskapismus?“ All diese Fragen, sagt Coco Brell, stelle ihre Indie-Pop-Band Low Life Rich Kids auf dem eben erschienen Debüt-Album „Lieblingslieder“. 

„Vor allem geht es uns aber darum, festzustellen, dass wir mit diesen Sorgen nicht alleine sind, auch wenn es sich so anfühlt. Wir sitzen alle im selben Boot“, erklärt die 24-Jährige und unterbricht sich im KURIER-Gespräch sofort selbst. „Nicht alle, leider nicht alle. Aber eben sehr viele. Und für die ist es wichtig, dass man sich solidarisiert und zusammenkommt – und wenn es nur bei einem Konzert ist, bei dem man gemeinsam brüllt, tanzt, Spaß hat.“

Keine andere Band porträtiert die Zerrissenheit der Jugend zwischen der Angst vor der Zukunft, der Ohnmacht gegenüber den Zuständen und der Lust auf Partys, pralles Leben und Rebellion so präzise und gleichzeitig so unterhaltsam wie das Wiener Trio. Post-Punk-Klänge mischen sich mit Elementen der Neuen Deutsche Welle. Die Rhythmen drängen ungezügelt nach vorne und verbreiten eine Unbeschwertheit, die im Gegensatz zu den oft dystopischen Texten der zehn Songs steht.

Abgefuckte Klamotten.

Gefunden haben sich Brell, eine in Wiesbaden geborene und am Max-Reinhardt-Seminar ausgebildete Schauspielerin, ihre Kollegin Mara Romei und der Theatermusiker Bernhard Eder im Jahr 2023. Damals schrieb Eder für das Lucien-Haug-Stück „Über Nacht“, in dem Romei und Brell mitspielten, den Song „Angst“. Er nahm ihn mit Romei und Brell auf – und das Trio landete damit an der Spitze der FM4-Charts. „In ,Über Nacht‘ geht es um Chancenungleichheit“, erklärt Mara Romei. „Low Life Rich Kids ist der Name der Band, die in dem Stück gegründet wird. Er spielt darauf an, dass gewisse Leute, die sehr viel Geld haben, abgefuckte und zerrissene Klamotten tragen und das als Lebensstil sehen, während andere das tragen müssen, weil sie einfach kein Geld für etwas anderes haben. Den Bandnamen haben wir übernommen, denn er passt perfekt zu uns. Er ist politisch, aber auch selbstironisch. Und er klingt gut.“

Die Nähe zum Theater und zum Spiel mit der Sprache, aber auch zu Sarkasmus in der Sozialkritik sind auf dem Album allgegenwärtig. Am deutlichsten in „100 Grad Fahrenheit“ und „Wasserstoff brennt!“. Der erste Song wurde für das Elfriede-Jelinek-Stück „Sonne, los jetzt!“ geschrieben, in dem Romei und Brell auftraten, der zweite wurde von Sätzen des Stücks geprägt. Denn Jelinek schreibt immer Textflächen, erklärt Brell. „Dazu musste ich mir in der Monologarbeit eine Figur basteln, und das war so ein CEO, der hinter sich alles abbrennt, dessen Hybris man auch sehr gut bei Politikern beobachten kann. Es ist diese Haltung: Ich bin gottgleich und hinter mir die Sintflut!“

Natürlich meinen Low Life Rich Kids damit Donald Trump. „Dem ist scheißegal, was passiert“, sagt Eder besorgt. „Die USA hat bestimmt zwei Jahrzehnte mit den Folgen seiner Politik zu kämpfen. Und nicht nur die USA, das betrifft die ganze Welt.“

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