Es heißt immer: Mahler hätte gerne eine Oper geschrieben. Wie opernhaft sind diese beiden Werke für Sie?
Das kommt darauf an, was Sie unter Oper verstehen. Für mich ist Oper immer eine Verschmelzung aller Kunstformen. Als Dirigent nur zu begleiten – das ist für mich nicht Oper. Es geht doch immer um Selbsterfahrung. Jeder ist einmal alleine, traurig oder voller Emotionen – darum geht es an einem Abend.
Sie haben schon ziemlich viel Mahler dirigiert . . . Was lieben Sie an Mahler?
Lieben ist vielleicht das falsche Wort. Es ist eine Welt, ein Kosmos, eine Trauer. Diese Orchestration, diese Musik, diese Wörter: Das ist, als ob man die Welt beweinen würde. Diese Musik erinnert mich oft an Franz Schubert.
Schubert wirkt doch immer so leicht . . .
Gar nicht. Aber Mahler ist wie Schubert ein sehr intimer Komponist, auch wenn er für 2.000 Leute schreibt. Es gibt bei beiden diese Momente, die die Welt zum Stehen bringen. Man atmet hier als Dirigent mit dem Körper und der Seele. Man muss das sehr ernst nehmen. Nicht zu viele Rubati, das ist nicht Mahler.
Wie geht man als Dirigent da mit einem Orchester um?
Das ist vor allem bei den ,Kindertotenliedern‘ ganz extrem. Da geht es ja um einen Mann, der eben sein Kind verloren hat. Er wird nicht mehr schlafen, vielleicht nie wieder, es ist eine ewige Nacht. Das muss man vermitteln.
Sie sind auch gelernter Schlagzeuger und haben im Graben der Staatsoper einst als Student bei ,La Boheme‘ die Triangel gespielt und Ihren Einsatz verpasst . . .
Ja, ich war so von diesem Gesang beeindruckt, mich hat nur die Bühne interessiert. Der Dirigent – es war Marco Armiliato – hat nachher zu mir gesagt, er könne das verstehen.
Könnten Sie sich vorstellen, wieder als Perkussionist aufzutreten?
Warum nicht? Aber mein Beruf ist Dirigent, und der erfüllt mich zutiefst. Ich finde nämlich, man muss hier immer neues wagen. So wie unseren Mahler-Abend ,Von der Liebe Tod‘. Darin sehe ich meine Aufgabe als Musiker. Aber viele Institutionen haben davor Angst und spielen lieber einen der populären Titel. Das ist nicht meine Welt. Deswegen dirigiere ich auch keine Wiederaufnahmen. Ich leite im Schnitt drei Produktionen pro Jahr neben der Konzerte. Die aber sollen dann gut sein.
Das heißt: Sie würden auch keine – zum Bespiel – ,La Boheme‘ kurzfristig übernehmen, selbst wenn Anna Netrebko singt?
Nein, das würde ich nicht.
Aber gibt es mit der Wiener Staatsoper Gespräche über neue Projekte?
Ich bin mit Direktor Bogdan Roščić in sehr guten Gesprächen. Wien ist für mich eine der zentralen Städte für Musik.
Die Wiener Symphoniker sind auf der Suche nach einem neuen Chefdirigenten. Wäre das etwas für Sie?
Ich bin seit 2021 in Doppelfunktion Chefdirigent des Nederlands Philharmonisch Orkest sowie der Nationalen Oper in Amsterdam. Da wäre das Engagement bei einem weiteren Orchester Bigamie. Zuerst geht es jetzt einmal um Mahler. Wir haben sechs Wochen lang intensiv geprobt. Und jetzt hoffe ich, dass das Publikum in die Welt Mahlers eintauchen und auch das szenisch Neue verstehen wird.
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