Bestsellerautor Nicholas Sparks: Beim Lesen zu weinen kann "die emotionale Last erleichtern"

Es ist eine doch unerwartete Kombination. Auf der einen Seite: Nicholas Sparks, der mit seinen hochbekömmlichen Romanen rund um die Liebe mehr als 150 Millionen Bücher weltweit verkauft und die Vorlagen für ein knappes Dutzend Hollywoodfilme („The Notebook“!) geliefert hat.
Auf der anderen: Regisseur M. Night Shyamalan, der mit Blockbustern wie „Sixth Sense“ Mystery und Horror massentauglich machte.
Nun haben Sparks und Shyamalan ein groß angelegtes gemeinsames und außergewöhnliches Projekt gestartet: Zusammen schrieben sie das neue Buch „Remain – Was von uns bleibt“, das an diesem Mittwoch erscheint. Und Shyamalan setzt das Buch in einen hochkarätig besetzten Film um, der nächstes Jahr in die Kinos kommt. Der KURIER hat mit Sparks über das Projekt gesprochen – und über Schreiben, Lesen und Weinen.
Und darüber, wie das Projekt angefangen hat: „Meine Hollywood-Leute und seine Hollywood-Leute haben gesagt, wir sollten die beiden zusammenbringen“, sagt Sparks – ein erfrischend bodenständiger, gut gelaunter Gesprächspartner – mit einem Lachen.
KURIER: Und dann?
Nicholas Sparks: Wir haben einander getroffen, um zu sehen, ob wir zusammenarbeiten können – und jeder hat eine Geschichte angeboten, von der wir fanden, dass sie sein Publikum und mein Publikum zufriedenstellen und sowohl als Film als auch als Buch funktionieren würde. Wir haben uns großartig verstanden – und dann sehr schnell entschlossen, seine Geschichte zu verwenden.
Oh, ist das nicht ein bisschen traurig? Was passiert mit Ihrer Story?
Schauen wir mal, wie „Remain“ läuft (lacht). Wenn das ein riesiger Erfolg wird, machen wir vielleicht auch meine Story. Die ist gut! Eine Liebesgeschichte, ein bisschen dunkler, aber gut.
Wie arbeitet man gleichzeitig und zusammen an einem Drehbuch und einem Roman?
Night hat im August 2024 begonnen, am Drehbuch zu arbeiten, und es in sechs Wochen fertiggestellt. Ich habe während dieser Zeit zwei, drei Mal pro Woche mit ihm telefoniert, wir haben einander Updates gegeben, Ideen diskutiert, Dinge ausgearbeitet. Das fertige Drehbuch war fantastisch. Ich rief ihn an und sagte, dass es als Buch strukturell so nicht funktionieren würde. Ich brauche mehr Hintergrund-Story und sowas. Ich habe dann von Oktober bis Jänner 2025 das Buch geschrieben.
Wie fand er es?
Er rief mich an und sagte: Fantastisch! Aber es ist anders als das Drehbuch. Ich sagte: Natürlich. Und so hat er einige Dinge wieder in das Drehbuch übernommen.
Gab es da nicht soetwas wie ein künstlerisches Konkurrenzgefühl?
Wir beide bewegen uns sicher in unseren Medien. Er kennt den Film und ich kenne Romane. Also gingen wir in das Ganze schon mit dem Gefühl hinein, dass wir einander eine lange Leine geben würden. Ich würde ihm nicht sagen, wie er ein Drehbuch zu schreiben, und er mir nicht, wie ich mein Buch zu schreiben hätte. Wir wollten es so gut wie möglich in unseren jeweiligen Medien machen. Kein Ego, keine Konkurrenz.
Nicholas Sparks
Den Durchbruch schaffte Nicholas Sparks (geboren am 31. 12. 1965) 1996 mit „The Notebook“: Gleich sein Debüt wurde zum Bestseller, er erhielt noch als unbekannter Autor einen Vorschuss von 1 Million Dollar. So wie zehn weitere seiner Bücher (darunter „Weit wie das Meer“) wurde auch „The Notebook“ verfilmt (mit Rachel McAdams und Ryan Gosling). Seine Bücher, die vorwiegend in North Carolina spielen und Themen rund um die Liebe variieren, wurden in 45 Sprachen übersetzt, weltweit soll er mehr als 150 Millionen Exemplare verkauft haben.
M. Night Shyamalan
Als Regisseur schaffte er den Durchbruch mit „Sixth Sense“ mit Bruce Willis (1999). Seine Filme spielten mehr als 3 Milliarden Dollar ein.
In einem Onlinebericht wird gewarnt: Vorsicht, Filmfreunde, das Buch von Sparks enthält Spoiler für den Film. Ist das nicht von der Autorenwarte her ein bisschen bedrückend?
Aber gibt es Spoiler? Wir werden das nicht wissen, bevor nicht der Film herauskommt. Es stellt sich die Frage: Beinhaltet beides denselben Twist? Das exakt gleiche Ende? Das alles haben Night und ich diskutiert. Und ich verrate es nicht (lacht). Es sind zwei Seiten derselben Münze. Er hat sich nicht in meine Seite eingemischt, und ich mich nicht in seine.
Aber Sie prägen da eine neue Münze in Ihrem Schaffen: „Remain“ ist ein Mysteryroman. Wollten Sie damit weg vom – von Ihnen ungeliebten – Image als Autor von romantischen Liebesromanen?
Ich schreibe keine Romanzen. Ich schreibe Liebesgeschichten, die manches Mal ein sehr tragisches Ende haben, schwere Unfälle, eine Alzheimererkrankung, den Tod eines der beiden oder von einem Dritten. Ich schreibe also nicht das, was generell unter Liebesroman verstanden wird. Grundsätzlich versuche ich, meine Romane einzigartig zu gestalten und dafür zu sorgen, dass sich jeder von den vorherigen unterscheidet. Ich variiere viele Elemente – darunter auch die Themen. Einer könnte sich mit Liebe nach einem Verlust befassen, ein anderer mit ewiger Liebe. Dann gibt es Geschichten über Liebe und Geheimnisse, Liebe und Abenteuer, Liebe und Gefahr. Dieser hier handelt von Liebe und Übernatürlichem. Und passt genau in die Art von Veränderungen, die ich traditionell vornehme.

„Remain“ stellt nun die Frage, ob es Liebe über den Tod hinaus geben kann. Haben Sie da eine Antwort?
Es ist schon eine großartige Frage, oder? Ich denke mir, dass ich eine gewisse Klarheit für mein eigenes Leben über einige dieser großen Dinge habe. Ich weiß, was ich glaube, ich bin Christ. Ich glaube an Güte und Freundlichkeit. Aber das heißt mit Sicherheit nicht, dass alle meine Tage perfekt sind. Manchmal dringt das Leben in meinen Kopf. Und einige der Dinge, die in meinen Romanen passieren, in mein Herz. Es mag Parallelen geben, aber ich verwende mein Schreiben nicht notwendigerweise, um Fragen in meinem Leben zu klären.
Dennoch, wenn wir den Hauptcharakter Tate kennenlernen, ist er am Boden, gebrochen. Das scheint heute ein sehr gegenwärtiges Gefühl! Versuchen Sie, allgemeine Stimmungen Ihrer Leserinnen und Leser in den Büchern zu reflektieren?
In einem gewissen Ausmaß. Ich versuche, dass sich die Charaktere universell anfühlen. Jeder kennt jemanden, der zuweilen mit seiner mentalen Gesundheit ringt. Was man probiert zu tun ist, die Fragen, die die Leser haben, zu beantworten. Warum erlebt Tate all das? Warum nicht jemand anderes? Ich wollte mir das Recht der Leserinnen und Leser für all das Unglaubliche verdienen.
Was Sie sich mit Ihren Büchern verdienen, ist das Recht an den Tränen der Leserinnen und Leser. Kann es emotional helfen, eines Ihrer Bücher zu lesen und die Tränen laufen zu lassen?
Das hoffe ich! Man will nicht weinen, wenn etwas Trauriges im Leben passiert, das will man nicht erleben. Aber etwas Trauriges quasi stellvertretend über einen Film, eine Fernsehsendung oder ein Buch zu erleben, ist eine gute Sache. Das kann die emotionale Last erleichtern, die man aus anderen Gründen trägt, aus der Arbeit oder Herausforderungen in der Ehe oder schwierige Situationen mit den Kindern. Oder wenn man böse Nachbarn hat, stimmt’s? Man trägt das mit sich herum, und eine großartige Geschichte gibt dir die Ausrede, diese negative Emotion auszuleben.

Sie verkaufen Millionen Bücher. Aber dem Lesen geht es sonst gar nicht gut, nur 16 Prozent der Amerikaner lesen noch zum Vergnügen. Wie geht es Ihnen damit?
Als ich vor 30 Jahren angefangen habe, waren die Zahlen auch nicht viel besser. Nur 20 Prozent gingen damals in Buchläden, da sind 16 Prozent, die lesen, gar nicht so viel anders. Einige Menschen lieben es zu lesen. Ich habe zwei Töchter, die viel lesen, und drei Söhne, die das gar nicht tun. Für mich ist es eine der großen Freuden im Leben. Sie werden mich immer mit einem Buch sehen.
Ist es im heutigen Umfeld für Autoren schwieriger?
Wenn Sie an meine Geschichten denken – es sind Liebesgeschichten in North Carolina. Wie macht man das jedes Mal anders? Neu für die Leserinnen und Leser? Das ist die Herausforderung. Es kann Monate dauern, bis ich auf eine Story komme. Ich arbeite derzeit an einem neuen Roman, der eine Liebesgeschichte in North Carolina ist – und anders als alles, das ich bisher gemacht habe. Wenn ich nicht schreibe, dann denke ich endlos darüber nach, was auf der Welt ich beim nächsten Buch machen werde. Das kann eine Weile dauern. Es hat 20 Jahre gebraucht, bis ich den Plot für „The Wish“ hatte. So ist das.
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