Lauter als das Leben: Dolly Partons neues Album "Rockstar"

Schwierige Zeiten verlangen Trostspender, und kaum eine Person hat diese Rolle so sehr perfektioniert wie Dolly Parton. Von der Spaltung durch Donald Trump und Social Media hat sie insofern profitiert, als sie einen Fluchtpunkt anbietet. Die 77-Jährige will nichts als Menschlichkeit und gute Laune, und darauf können sich noch immer erstaunlich viele Menschen aller Couleurs einigen. Ihre glitzernde Künstlichkeit sagt dabei nichts anderes als: Hey, wir müssen alle ein wenig Theater spielen, um durchzukommen, das Leben ist Maskerade. Die queere Gemeinde, die Parton ebenfalls liebt, hat das immer schon gewusst.
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Wenn Parton auf ihrem neuen Album „Rockstar“ nun also Hymnen wie „What’s Up“ von den 4 Non Blondes, „Satisfaction“ oder „We Are The Champions“ anstimmt, dann schreit sie die Welt aus einer historischen Position heraus an, die geeint und optimistisch erscheint. Wer im Stadion zu einem Rockkonzert abshakt, ist zwar auch Teil eines Mobs, aber eher nicht dazu angetan, das US-Kapitol oder sonst irgend eine Bastion der Demokratie zu stürmen. So soll es doch sein, scheint Dolly zu sagen - die neue Eigenkomposition „World On Fire“ klingt für Dolly-Maßstäbe dazu fast explizit politisch, ja anklagend: "Greedy Politicians, present and past, wouldn't know the truth if it bit them in the ass" ("Gierige Politiker, von heute und von früher - sie würden die Wahrheit nicht kennen, selbst wenn sie sie in den Hintern beißen würde!")
Darf Dolly das?
So weit, so sympathisch. Nun ist Parton aber keine Rocksängerin, sondern hat auch auf ihrem neuen Album "Rockstar" ein Rollenkostüm angelegt. Hintergrund gibt sie an, dass sie ihre Einführung in die "Rock'n'Roll Hall of Fame" zuerst abgelehnt hatte - als sie die Einladung dann doch annahm, wollte sie etwas "dafür tun". Nun gibt es also eine dollyfizierte Greatest-Hits-Parade, und es ist nicht das Werk, auf das die Welt zwingend gewartet hat.
Dass Parton eine große Menge an Altstars von Elton John über "Judas Priest"-Frontman Rob Halford bis Stevie Nicks als Duettpartner verpflichtete, ändert nichts daran, dass die Rock-Energie, die die Platte beschwört, auf dem Album sehr glattgebügelt und einbalsamiert klingt: Die Arrangements sind durchgehend bombastisch und werden von einer Studioband fehlerfrei vorgetragen wie ein klassisches Orchesterstück, das Jimmy-Page-Solo auf "Stairway to Heaven" wird notengetreu nachgespielt, unterstützt durch Streicher und einen Chor. Für Partons Stimmorgan bleiben da kaum Zwischentöne.
Mit Künstlern und Künstlerinnen, die ihrem "Heimatboden" nahe stehen, scheint sich Parton wohler zu fühlen: "Night Moves" mit dem Country-Barden Chris Stapleton ist ein feines souliges Stück, auch das Duett mit Patentochter Miley Cyrus ("Wrecking Ball") funktioniert. Ansonsten aber wirkt sehr vieles sehr konstruiert und kalkuliert. Und "My Blue Tears", eine von Partons schönsten Balladen, braucht nicht wirklich irische Flöten und die Stimme von Duran Duran-Sänger Simon LeBon, um zu strahlen.
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