Laufey im Gespräch: "Ich habe nirgendwo reingepasst"

Auf ihrem dritten Album „A Matter of Time“ erweitert Laufey ihren Klangkosmos.
„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis du das Messer siehst. Mach die bereit für eine blutige, bittere Sabotage!“ Das singt Laufey in ihrem Song „Sabotage“ mit Engelsstimme zu zarten Pianoklängen. Gelegentlich zerreißen für einige Sekunden chaotische Geräusche den Wohlklang, überlagern ihn zum Schluss zu Gänze. In ihrem eben erschienenen Album „A Matter Of Time“ erforscht die gebürtige Isländerin, die während der Pandemie begann, von Jazz inspirierte Balladen im Internet zu posten, nämlich die schmutzigen Seiten der Liebe.

Laufey.
„Der Song beschreibt die Angst, dass ich mit meinen Unsicherheiten eine eigentlich schöne Beziehung ruiniere“, erzählt die 26-Jährige im Gespräch mit dem KURIER. „Denn wenn Gedanken wie ,Warum kann ich dir nicht glauben, wenn du sagst, dass du mich liebst?’ wie eine Attacke in einen märchenhaften Morgen platzen, zerstören sie unweigerlich die Harmonie. Das wollte ich auch musikalisch illustrieren.“ Weil Laufey-Fans so einen Sound „als Letztes“ von ihr erwarten, hat die mittlerweile in Los Angeles lebende Musikerin „Sabotage“ an den Schluss des Albums gesetzt. Am Anfang von „A Matter Of Time“ steht der Song „Clockwork“, der im Sound typisch für Laufeys bisherige Karriere ist.
Wurzeln
Als Tochter einer chinesischen Violinistin und eines Isländers war Laufey schon als Baby von Musik umgeben. Mit vier Jahren begann sie Klavier zu lernen, mit acht Cello. Später kam die Gitarre dazu. Als Teenager trat sie sowohl mit dem Iceland Symphony Orchester auf als auch in der Pop-Castingshow „Iceland Got Talent“. Sie liebt Schostakowitsch, Ravel und Debussy, aber auch Ella Fitzgerald, Billie Holiday und Chet Baker, die ihr Vater ihn seiner Plattensammlung hatte. Und Adele, Taylor Swift (vor allem deren Texte) und Norah Jones. Mit einem Stipendium konnte Laufey dann am renommierten Berklee Music College in Boston Jazz studieren.
Mit ihrem dritten Album „A Matter Of Time“ trägt sie jetzt auch stilistisch mehr denn je all diesen Einflüssen Rechnung und beschreibt auch in den Texten „die Entfaltung einer jungen Frau“.
„Das hat natürlich viel mit meiner persönlichen Entwicklung zu tun“, erklärt sie. „Es ist ein Liebesalbum, mit dem Fokus auf die Selbsterfahrung, die mit Liebe und Beziehungen einhergeht. Man kann so viel davon lernen. Denn so sehr wir auch versuchen, unsere Fehler und Schwächen vor dem anderen zu verbergen, irgendwann werden sie sich offenbaren. Mit der Arbeit an diesen Songs habe ich erkannt: Meine große Schwäche ist eben, es nicht glauben zu können, wenn mir jemand sagt, dass er mich liebt.“
In dem mit Aaron Dessner, dem Chef der Indie-Rock-Band The National, produzierten Song „A Cautionary Tale“, erzählt sie, wie sie sich selbst bis zur Würdelosigkeit für einen besitzergreifenden Lover aufgegeben hat. Das, sagt sie, sei die Schwäche, die auch in ihre Karriere hineinspiele. „Sowohl in der Liebe als auch als Musikerin will ich Menschen gefallen und ihre Erwartungen erfüllen. Aber das kann ich das nur tun, wenn ich zuerst meine Erwartungen an mich selbst erfülle. Damit habe ich im vorigen Jahr stark gekämpft. Denn als ich begann, habe ich viel darüber nachgedacht, wie die Leute meine Musik aufnehmen. Ich liebe Jazz und Klassik, aber eben auch Pop und will für ein junges Pop-Publikum musizieren. Dass das geklappt hat, erstaunt mich. Aber das gefällt nicht jedem.“
Nicht jedem, aber vielen: Laufey-Konzerte sind immer ausverkauft und ihr größter Hit „From The Start“ wurde allein auf Spotify weit über 780 Millionen Mal aufgerufen. Mittlerweile sieht Laufey auch die Kritik von Jazz-Puristen gelassen, die behaupten, ihre Songs seien kein Jazz. „Ich habe das nie behauptet“, kontert sie.
„Und solche Genre-Einteilungen sind ohnehin veraltet. Ich habe meine Jugend damit verbracht, zu versuchen, in Kategorien zu passen: ,Bin ich Isländerin? Bin ich Chinesin? Bin ich Amerikanerin?’ Ich habe nirgendwo reingepasst, also habe ich mich von Einteilungen distanziert.“
Förderung
Halt fand sie damals durch das Spielen im Orchester. „Das war meine Gemeinschaft. Da habe ich perfekt hineingepasst!“ Nicht nur deshalb fördert sie mit ihrer „Laufey Foundation“ jetzt Musikerziehung für junge Leute: „Pop kann man sich selbst beibringen, aber für Klassik und Jazz braucht es eine Ausbildung. Die war für mich durch meine Familie immer in Reichweite. Außerdem gibt es in Island viele Kulturförderungen. Mein erstes Cello habe ich gratis bekommen. In den USA ist Musikerziehung aber ein Luxus und ein Privileg. Ich will mit der Foundation, jungen Menschen die Chance geben, ihre Liebe zur Musik zu entdecken, denn das ist so wertvoll. Meine Oma ist über 80 und spielt noch jeden Tag Klavier. Das ist das, was sie jung hält, und ihr Lebensfreude gibt.“
Das zweite Ziel, das Laufey mit der Foundation verfolgt, ist, die Jugendlichen von den kriminellen Gangs fernzuhalten. „Ich will ihnen eine Gemeinschaft geben, wie ich sie damals hatte. Und das Wichtigste dabei ist: Wenn man zusammen Musik spielt, passiert das immer auf Augenhöhe. Da zählen Dinge wie dein Aussehen, deine Herkunft oder dein finanzieller Background nicht mehr. Dann geht es nur mehr um die Freude an dem Moment und an dieser universellen Sprache.“
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