Kunstauktionen: Mensch-ärgere-dich-nicht für Milliardäre

Kunstauktionen: Mensch-ärgere-dich-nicht für Milliardäre
Die Top-Auktionen bei Sotheby's und Christie's setzten neue Rekordmarken. Repräsentativ für "den Kunstmarkt" ist das nicht

Einen Umsatz von 1.072.596.250 US-Dollar - umgerechnet rund 954 Millionen Euro - meldete das Auktionshaus Christie's in der Nacht zum Freitag, nachdem seine als "20th Century Week" vermarktete Auktionsserie in New York zu Ende ging. Der Konkurrent Sotheby's hatte zu diesem Zeitpunkt gerade seine Abendauktion für Kunst der Nachkriegszeit abgeschlossen, die allein einen Umsatz von 341.850.000 US-Dollar verbucht hatte, u.a. dank eines Francis-Bacon-Porträts und eines Mark-Rothko-Gemäldes, die jeweils 50 Millionen US-$ einbrachten.

Die Mai-Auktionen der großen Häuser gelten gemeinhin als Zustandsmesser für die Lage des High-End-Kunstmarkts, und für die Verkäufer gab es dank der stolzen Umsätze durchaus Grund zur Zufriedenheit. Für Beobachter allerdings stellt sich angesichts des Rekord-Rituals bereits leichte Abstumpfung ein: Wenn Preise jenseits der 100 Millionen-Dollar-Marke nicht mehr als Sensation gelten und die Rekorde zunehmend konstruiert wirken, scheint die Aussagekraft der Auktionen für den Status von Künstlern und Künstlerinnen zu schwinden.

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Machen Sie Ihr Spiel

Tatsächlich hat sich jener Kunstmarkt, der sich in den viel beachteten Auktionen im Mai offenbart (eine zweite derartige Runde findet traditionell im November statt), vom Geschehen auf den zahllosen "kleineren" Auktionen und Messen, bei denen Werke sonst die Besitzer wechseln, immer weiter abgekoppelt. Nur mehr eine Handvoll Superreicher hat das finanzielle Pouvoir, im Rennen um die Top-Preziosen überhaupt noch mitzuspielen. Viele Sammler, die vor Jahrzehnten etwa noch um Top-Werke des Impressionismus mitboten - man denkt etwa an den Albertina-Leihgeber Herbert Batliner - sind aus dem Spiel längst ausgestiegen. Allerdings kommen andere hinzu: Mehr als ein freies Spiel von Angebot und Nachfrage erscheinen die High-End-Auktionen mittlerweile als Initiationsritual in einen exklusiven Club. Wer hier mitgeboten hat, gehört dazu.

Die Preisbildung findet ohnehin meist hinter den Kulissen statt. Die Top-Lose der Auktionen - vom Monet-Heuhaufen, der bei Sotheby's am Dienstag die Hundert-Millionen-Grenze überschritt und um 110,7 Mio. US-$ den Besitzer wechselte, bis zum hochglanzpolierten "Rabbit", der mit 91,1 Mio. US-$ Jeff Koons wieder als teuersten lebenden Künstler etablierte, waren im Katalog allesamt mit so genannten "unwiderruflichen Geboten" und "Garantien" gekennzeichnet. Es gab also einen Käufer, der versprochen hatte, eine (geheimgehaltene) Summe zu zahlen, und eine Partei, die dem Einbringer einen gewissen Erlös garantiert hatte (diese Akteure können, müssen aber nicht ident sein).

Derlei Arrangements bereiten das Feld auf, auf dem bei den Auktionen ein höchst symbolträchtiges Spiel aufgeführt wird: Manche outen sich dabei als neue Mitglieder des Super-Clubs, wie etwa der Japaner Yusaku Maezawa, der bei den Mai-Auktionen 2017 höchst PR-trächtig 110 Millionen US-$ für ein Gemälde von Jean-Michel Basquiat hinlegte. Häufiger bleiben die Käufer im Hintergrund, schieben aber "ihre" Künstler wie Spielfiguren ein Stück weiter nach vorne: Im Mai 2018 wurde etwa Amedeo Modigliani durch einen (vorher durch Garantien fixierten) Preis-Deal mit 157 Millionen US-$ als Superheld der Klassischen Moderne einzementiert, im Herbst 2018 erhielt dann David Hockney die Auszeichung "teuerster lebender Künstler", als eines seiner Gemälde  90.2 Millionen US-$ erzielte.

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Zwei Felder vor!

Nun also die Auktionswoche im Mai 2019: Koons rückt zwei Felder vor (er überholt Hockney mit 91, Mio Us-$ als teuerster lebender Künster). Claude Monet, dessen berühmte Seerosen-Motive sich auch schon mal schlecht verkaufen, rückt über die 100-Millionen Marke (110 Millionen US-$ für das Gemälde Heuhaufen/ "Meules"). Mark Rothko und Francis Bacon, die auch schon mit spektakuläreren Werken zur Auktion kamen, rücken mit 50 Millionen ein Feld vor. Robert Rauschenberg, ein bisher eher seltener Gast in Top-Auktionen, rückt mit 88.8. Millionen US-$ für sein Werk "Buffalo II" drei Felder vor, ebenso Louise Bourgeois, deren "Spinne" mit 32 Millioenn US-$ einen neuen Rekord markiert.

Die Zahl der Spielfiguren bleibt weiterhin überschaubar, sowohl, was die Künstlerfiguren als auch was die Markt-Akteure angeht. Die Kunstwelt im weiteren Sinn hat von dem Spiel reichlich wenig: Die noch lebenden Künstler partizipieren nicht nennenswert von den in der Auktion erzielten Top-Preisen, Museen sind mit ihren verhältnismäßig winzigen Budgets vom Mitspielen ausgeschlossen. Allein das San Francisco Museum of Modern art (SFMOMA) nutzte die New Yorker Auktion als Geldquelle, indem es sein unbetiteltes Rothko-Gemälde von 1960 um 50 Millionen verkaufte. Eine nicht unumstrittene Entscheidung, die dem Haus nun aber ermöglichen soll, viel neue Kunst zu kaufen - eher nicht bei High-End-Auktionen.

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