Galerist Ernst Hilger gestorben: Er machte Menschen zu Kunstliebhabern

Ernst HIlger
Prägte mit seiner 1971 gegründeten Galerie den heimischen Kunstmarkt über viele Jahrzehnte.

Noch am Sonntag war der Galerist auf einer Kunstmesse gewesen und hatte ein Künstleratelier besucht. Sein Tod, den seine Ehefrau Karoline Hilger-Bartosch dem KURIER am Dienstag bestätigte, sei für alle in seinem Umfeld völlig überraschend gekommen. Der stets aktive, neugierige und gesprächige Mann, der im Februar seinen 75. Geburtstag gefeiert hatte, habe noch viel vorgehabt. "Ernst war ein Vollblut-Galerist, aber auch der wunderbarste Ehemann und Freund."

Er machte Menschen zu Kunstliebhabern

Es ist kaum genug wertzuschätzen, wie viel Grundlagen- und Aufbauarbeit Hilger für die Kunstszene in Wien, aber auch in Österreich und darüber hinaus über Jahrzehnte geleistet hat. Lange bevor das Ziel, Kunst niedrigschwellig erfahrbar - und auch besitzbar - zu machen, zum gebetsmühlenartigen Credo von Museen und Kunstmessen wurde, praktizierte Hilger eben jene Arbeit, die ungezählte Menschen zu Kunstliebhabern und viele davon auch zu Kunstsammlern machte. Dass er davor auch noch als Konzertveranstalter und Clubbetreiber wesentliche Beiträge zur Entwicklung der österreichischen Popkultur geliefert hatte, war manchen Spätgeborenen da gar nicht mehr so präsent.

1950 in Wien geboren, studierte Ernst Hilger ab 1968 Betriebswirtschaftslehre und wollte nebenbei Musik machen. Er gründete das Folk-Lokal Atlantis, wo zahlreiche Austro-Popper ihre ersten Auftritte feierten, und gemeinsam mit dem Sammler Peter Infeld eine Studentenedition, bei der man Grafiken für umgerechnet heute rund 25 Euro kaufen konnte. „Mein ganzes Leben ist ein glücklicher Zufall, der sich nur mit der Leidenschaft gut kombiniert hat“, resümierte Hilger, der eigentlich Sänger oder Dichter werden wollte, einmal. 

"Lebensmensch" Hrdlicka

Eine der ersten von Hilger verlegten Grafikeditionen stammte vom Bildhauer Alfred Hrdlicka - und legte den Grundstein für eine Zusammenarbeit, die bis zum Tod des Künstlers 2009 anhalten sollte. Hilger vermittelte nicht nur das skulpturale, plastische und grafische Werk Hrdlickas - die Achse zum deutschen Unternehmer und Kunstsammler Reinhold Würth ist etwa ganz wesentlich ihm zu verdanken - sondern kümmerte sich auch in vielen anderen um den streitbaren Künstler: Hrdlicka wohnte in späteren Jahren oberhalb der Galerieräumlichkeiten in der Dorotheergasse, man frühstückte mehrmals pro Woche miteinander, verreiste, organisierte Ausstellungen. „Wir waren sozusagen sein Sekretariat. Hrdlicka hat sich  auch mit vielen Leuten  zerkracht,  und ich habe versucht, Dinge wieder zurechtzubiegen.  Ich habe auch viele Gegnerschaften von ihm geerbt“, sagte Hilger 2018 im KURIER-Gespräch. 

Ein Hafen für Künstler

Doch auch wenn die mächtige Persona Hrdlickas den Galeristen bisweilen überschattete, war Hilgers Laufbahn bei weitem nicht durch den Bildhauer definiert. Viele andere österreichische Künstler (seltener: Künstlerinnen), fanden in der Dorotheergasse stets eine interessierte Klientel und eine Art Heimat vor: Hans Staudacher etwa. Adolf Frohner, Oswald Oberhuber oder Franz Ringel. Viele von ihnen überlebte der Galerist. Dem zu früh verstorbenen Gunter Damisch richtete Hilger 2016 seine letzte Ausstellung - eine Retrospektive seiner Arbeiten auf Papier - aus. 

Niedrigschwellig

Das Medium des Papiers, der Druckgrafik und der in kleinen Auflage produzierten Plastik war Hilger stets ein Anliegen - erlaubte es ihm doch, ansehnliche Kunst zu relativ günstigen Preisen anzubieten. Hilger wurde damit etwa zum Hauptverleger des US-Popkünstlers Mel Ramos, dessen Werbe-Ästhetik (Produkte in Kombination mit Pin-Up-Modellen) irgendwann aus der Zeit fiel, sich aber gut verkaufte. Auch dem britischen Pop-Artist Allen Jones bot Hilger eine Bühne, als die politisch korrekte Kunstszene längst einen Bogen um den Meister machte. 

Als einer, der sich wenig um elitäres Denken scherte, war Hilger auch ein Pionier darin, Allianzen zwischen der Wirtschafts- und der Kunstwelt zu schmieden. Er fädelte Kooperationen mit Konzernen wie Siemens, Austrian Airlines, Unicredit ein, lizensierte Mel-Ramos-Drucke für die CD-Cover von Compilations angesagter DJs oder brachte sie mit dem Privatsender Superfly.fm in Kontakt: Dass Kunst in Österreich auch Teil eines Lifestyles wurde, war nicht unwesentlichen Teilen auch Ernst Hilger zu verdanken. 

Zwischenzeitlich gab es Dependancen in Frankfurt und Paris, ab 2003 das hilger contemporary, seit 2009 die HilgerBROTKunsthalle, die 2013 um den Schausaal HilgerNEXT erweitert wurde. Messeteilnahmen auf der ganzen Welt waren selbstverständlich, Entdeckungen in Asien und im Iran ein Teil des Galeriealltags. „Ich habe 50 ganz sensationelle Jahre gehabt. Ich war 30 Jahre lang der Platzhirsch“, sagte er.

Platzhirsch und Schirmherr

In jüngerer Vergangenheit war Hilger nicht mehr so ganz im Zentrum des Geschehens, was aber nicht bedeutete, dass er nicht für seine Künstler brannte. Und zwar für die arrivierten wie Christian Ludwig Attersee oder Peter Krawagna ebenso wie für die jungen, die er durch seine unermüdliche Tätigkeit entdeckt, vermittelt, ausgestellt hatte. Neben seiner Galerie hatte Ernst Hilger, der u.a. mit dem Professorentitel (2000) und dem Goldenen Ehrenzeichen der Stadt Wien (2008) geehrt wurde, auch eine eigene Kunstsammlung aufgebaut. 400-500 Arbeiten daraus hat er an das MUSA geschenkt. 2018 war eine Auswahl aus der Hilger Collection, in der sich auch zeitgenössische iranische und indonesische Malerei, kongolesische Fotografie oder südafrikanische Skulpturen befinden, im Museum Angerlehner in Oberösterreich zu sehen. 

Ernst Hilger war lange Präsident der Vereinigung der österreichischen Galerien, Beiratsmitglied der Art Basel und von 2002 bis 2007 Präsident des europäischen Galeristenverbandes. Immer wieder politisch engagiert und mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg haltend, hatte er sich zuletzt aber weniger mit Funktionsärstätigkeiten befasst und einfach seiner Freude an der Kunst freien Lauf gelassen - eine Freude, die für unzählige Menschen ansteckend war. 

Kommentare