Der Wettlauf um die größte Naturtreue steht am Anfang: Bei Plinius liest man über den Maler Zeuxis, dessen gemalte Weintrauben Vögel angelockt haben sollen, und über seinen Konkurrenten Parrhasios, der einen Vorhang so täuschend echt gemalt haben soll, dass Zeuxis selbst dachte, ihn zur Seite ziehen zu können.
Nimmt man an, dass diese Geschichte gerade noch zu jenen gehört, die viele Menschen im Lauf der Schulbildung einmal gehört haben könnten, ist auch das Risiko der Ausstellung klar: Sie könnte sich darin erschöpfen, Schmankerl für Kunsthistoriker zu servieren.
Auch wenn das finale Urteil hier beim Publikum liegt, tut die Schau doch viel dafür, dass dies nicht passiert: Der Parcours ist durch Wandsegmente und -Farben in überschaubare Portionen aufgeteilt (Design: Michael Embacher) und stellt pro Abschnitt jeweils nur eine kleine Anzahl von Werken gegenüber.
Da misst sich eine antike Marmor-Amazone aus den vatikanischen Museen – eine der schönsten und aufwändigsten Leihgaben der Schau – mit Gipsabgüssen von Skulpturen desselben Typs. Weitere Gegenüberstellungen gehen an die Ursprünge von „Kunst am Bau“-Ausschreibungen: Von den Bronze-Entwürfen zur „Opferung Isaaks“ für das Baptisterium des Doms zu Florenz von Lorenzo Ghiberti und Filippo Brunelleschi sind zwar nur Abgüsse zu sehen, die Werke markieren jedoch den Start der von Konkurrenz zwischen Künstlern, Auftraggebern und Stadtstaaten geprägten Renaissance-Kunst.
Duell der Superhelden
Michelangelo und Leonardo da Vinci, die Superhelden der Epoche, wetteiferten dabei um den Auftrag für ein Schlachtengemälde – erhalten geblieben ist davon abseits von Skizzen wenig. „Kopien nach der Kopie“ eines Meisterwerks, wie sie über die Jahrhunderte in großer Zahl entstanden, sind selbst vom Geist des Wettbewerbs getränkt: Da ging es um die Frage, wer den Großen am besten nachahmte, wer ihn übertraf oder wer ihm die schönste Reverenz erwies.
Alle diese Facetten sind in den Sälen und Kabinetten des KHM schön aufgefächert, eine „Perlenkette von Geschichten“, wie der Ex-Direktor des Weltmuseums zu sagen pflegte. Manche Anekdoten driften allerdings vom kunsthistorischen Kanon hinüber ins Kuriose – etwa jene über den bayrischen Maler Christopher Paudiß, der vor lauter Ärger starb, weil ein Fürsterzbischof die Darstellung eines reißenden Wolfes, die ein unbekannter Konkurrent vorgelegt hatte, der seinen vorgezogen hatte.
Viel daran erinnert an die inszenierten Herausforderungen, die sich online heute großer Beliebtheit erfreuen. Zur Frage „Was is’ besser, Malerei oder Skulptur?“ könnten Youtuber gewiss viele Videos drehen. Die KHM-Schau versucht diese Dynamik einzufangen, indem sie an „Voting-Stationen“ über einzelne Werke abstimmen lässt.
Das ändert freilich nichts daran, dass die gezeigten Werke für ein elitäres Publikum geschaffen wurden und bei der Deutung einiges an klassischer Bildung verlangen. Wie das letzte Kapitel über die Salons des 18. und 19. Jahrhunderts deutlich macht, musste Kunst allerdings auch früher schon um Aufmerksamkeit buhlen und wurde oft eher beiläufig mit Daumen-rauf-runter-Kommentaren bewertet. Man kann sich ihr also auch jetzt mit Lockerheit nähern.
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