Die Werkschau Tans ist nach lockdownbedingt langen Schließzeiten in Krems nur noch bis 7. 3. zu sehen – ein zweiter Teil im Museum der Moderne Salzburg läuft bis 2. 5. Die Schau regt auf ästhetisch hinreißende Art zum tiefen Nachdenken an: Über die Möglichkeiten, sich ein Bild zu machen. Über die Stärken und Limits von Film, Fotografie und Computergrafik. Und über die Effekte, die das Abbilden auf die Welt hat.
Das Streben nach Ordnung ist ein durchgehender Faden in Tans Videoarbeiten: Die „Countenance“-Serie etwa nimmt Bezug auf die Versuche des Fotografen August Sander in den 1920ern, ein nach Berufsgruppen geordnetes Panorama der Deutschen Gesellschaft zu schaffen (Auszüge des Werks sind derzeit in der Schau „Faces“ in der Albertina zu sehen).
Indem Tan ihre Sujets nicht fotografiert, sondern filmt, zieht sie aber eine neue Ebene ein: Die Bilder fesseln den Blick länger, vertiefen den Eindruck, säen zugleich auch Verunsicherung. Der ästhetische Sog dieser stillen und doch bewegten Bilder führt nicht nur zu Menschen, sondern auch zu Orten und Dingen: In „Inventory“ (2012) fahren Tans Kameras etwa durch die Sammlung von Sir John Soane (1753 – 1837), der sich die Welt mit Skulpturen, Bildern und Architekturfragmenten ins Haus holen wollte, aber ebenso an einer allumfassenden Ordnung scheiterte.
Im Video „Archive“ von 2019 gibt es dann kein reales Motiv mehr: Die Fahrten durch endlose Gänge von Zettelkästen sind am Computer generiert. Als Anknüpfungspunkt diente das „Mundaneum“, in dem der belgische Wissenschafter Paul Otlet (1868 – 1944) das Weltwissen zugänglich machen wollte.
In der Kunsthalle Krems, die ja direkt an die Justizanstalt Stein angrenzt, kommt auf pointierte Weise zum Ausdruck, dass der Weg zwischen „Sammeln und Ordnen“ und „Überwachen und Strafen“ bei Tan nie besonders weit ist. Deutlich wird das durch die Arbeit „Correction“ (2004), die vom Publikum verlangt, sich in die Mitte eines Kreises aus Videoscreens zu begeben: Von jedem Schirm blickt eine Person – mal Häftling, mal Wachpersonal – nach innen. Die Betrachtenden sind auf einmal Betrachtete.
„Ich wurde zweimal gefangen – einmal außerhalb der Halle und einmal von der Kamera (...) Mein Bild wird unser Treffpunkt sein“ , heißt es dann in der Arbeit „Pickpockets“, die extra für die Kremser Ausstellung entstand. Tan hinterlegte dazu historische Polizeifotos von Taschendieben und -diebinnen, die auf der Weltausstellung 1889 inhaftiert wurden, mit fiktionalen Geschichten, die die Personen scheinbar über sich selbst erzählen.
Die junge Marie Thiriot – sie ziert auch das Plakat der Schau, die Tonspur wird von Tan selbst gesprochen – wirkt darin wie ein Selbstporträt: Sie ist eine trickreiche Fallenstellerin, die ihr Tun geistreich reflektiert.
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