Kritik: So leicht und virtuos kann die ganz große Oper auch gehen

Das hat überhaupt nichts mehr mit klassischem Sommertheater der Kategorie „Wir machen schon was“ zu tun. Ganz im Gegenteil. Mit Giuseppe Verdis „Don Carlo“ landet die operklosterneuburg im Kaiserhof des Stiftes zu ihrem 25-jährigen Jubiläum einen Hit. Denn so großartig ist Verdis Drama (hier in der Mailänder Fassung und damit dankenswerter Weise ohne Fontainebleau-Akt) nur selten zu erleben.
Intendant Michael Garschall hat sich diese Produktion gewünscht und mit dem Bassisten Günther Groissböck einen Weltstar geholt. Groissböck, der vor 20 Jahren in Klosterneuburg den Sarastro in Mozarts „Zauberflöte“ gegeben hatte, kehrte nämlich in doppelter Funktion zurück. Als Regisseur und als König Philipp II. – mit Bravour!
Doppelfunktion
Denn man versteht, warum dieser Sänger zwischen Wien, New York oder Bayreuth, etc. heiß begehrt ist. Einen besseren Philipp wird man gegenwärtig kaum finden. Allein die berühmte Arie „Ella giammai m'amò!“, die des Königs Einsamkeit zeigt, geht unmittelbar zu Herzen. Groissböcks König Philipp ist stimmlich wie darstellerisch ein Ereignis. Ein Herrscher, ein vergebens Liebender, ein von der Kirche wiederum malträtierter Untertan – das ist ganz große Kunst.
Zumal auch der Regisseur Groissböck alles richtig gemacht hat. Auf Hans Kudlichs in meist dezenten Schwarz-Tönen gehaltener Bühne und den ebenso differenzierten Kostümen von Andrea Hölzl erzählt Groissböck die tragische Geschichte sehr stringent, ohne Modernismen, dafür mit einer extrem präzisen Personenführung. Ein Sarkophag, Gräber, eine Art Escorial, mehr braucht es nicht, um ganz großes Kopfkino zu erzeigen. Chapeau!
Top-Ensemble
Doch nicht nur Groissböck brilliert. Auch Thomas Weinhappel als Marquis Posa kann mehr als glänzen. Der längst auch im Wagner-Fach angekommene Künstler singt diese Partie wunderschön akzentuiert und lyrisch (es gibt in Klosterneuburg keine Mikroports). Er ist auch darstellerisch eine Freude. Gleiches gilt für Margarita Gritskova als leidenschaftliche Eboli, bei ihr paart sich Temperament mit vokaler Ausstrahlung.
Karina Flores gibt eine innige Elisabetta mit schön geführter Stimme und herrlichen, klaren Höhen. Matheus Franca wiederum ist ein in positiver Hinsicht furchteinflößender Großinquisitor, der in dem bravem Tenor Arthur Espiritu als Don Carlo ein relatives leichtes Opfer findet.
Am Pult der guten Beethoven Philharmonie (solide auch der Chor) sorgt Dirigent Christoph Campestrini für den passenden Klang zu einer Sternstunde.
Peter Jarolin
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