Markus Poschner: Mit Präzision durch Klangwuchten und vertonte Märchen

von Susanne Zobl
Die französische Komponistin Lili Boulanger war 19, als sie mit dem begehrten Kompositionspreis „Prix de Rome“ ausgezeichnet wurde. Das war 1913 eine Sensation, denn sie war die erste Frau, der diese Ehren und ein damit einhergehendes Stipendium in Rom zuteilwurden. Aufgrund eines tödlichen Leidens, das sie 25-jährig aus dem Leben riss, konnte sie ihren rasch erlangten Ruhm nicht wirklich auskosten. Ihr Werk geriet in Vergessenheit. Der Musikverein widmet ihr in dieser Spielzeit einen Schwerpunkt.
Ein ausdrückliches Plädoyer, Boulangers Musik aufzuführen, gab Markus Poschner mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien (RSO), dessen Chef er 2026 wird, und dem Wiener Singverein ab. Zunächst mit „einem buddhistischen Gebet“, das Boulanger als „Bitte um Frieden für das ganze Universum“ verstand.
Poschner durchwirkte mit seinem auf Höchstpräzision ausgerichteten Dirigat die Klangwuchten mit einem gewissen exotischen Flair. Akkurat stimmte er das Orchester mit den Stimmen des Singvereins ab. Paul Schweinester sang wortdeutlich seinen Solopart vom Orgelbalkon. Sein Tenor harmonierte bei Boulangers Vertonung des 130. Psalms mit Claudia Mahnkes vibrierender Mezzosopranstimme. Poschner arbeitete die Raffinessen des Werks eindrücklich heraus.
Bei Alexander Zemlinskys symphonischer Dichtung „Die Seejungfrau“, ließ der gebürtige Münchner hören, wie gut er sich mit seinem künftigen Orchester versteht. Akkurat formulierte er jedes einzelne Motiv dieser Vertonung von Hans Christian Andersens Märchen. Er setzte auf Ausdruck und das Lautmalerische dieser Komposition. Deutlich ließ er das Tschaikowski-Zitat hören. Besonders hervorzuheben sind die Hörner. Zurecht viel Applaus.
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