Eine Fotokünstlerin, die nicht fotografiert: Maria Hahnenkamp im Belvedere 21

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Die Künstlerin seziert Medienbilder mit feiner feministischer Klinge (und Nähzeug). In einer Nebenrolle tritt "Jedermann" Philipp Hochmair auf

Das Obergeschoß des Belvedere 21 ist, was die Sichtbarkeit angeht, ein schwieriger Ort. Eigentlich ist es ein großartiger Ausstellungsraum in einem architektur- und kulturgeschichtlich wichtigen Bau, um ein lichtes Atrium herum angelegt, mit tollen Durchblicken und weiten Flächen, besonders wenn, so wie in der aktuellen Schau der Künstlerin Maria Hahnenkamp, fast keine Stellwände und andere Barrieren eingebaut sind. 

Und doch bleiben viele der hier gezeigten Künstlerinnen oft unsichtbar. Denn Künstlerinnen sind es meistens, und das erklärte Ziel des honorigen Bundesmuseums ist es, ihnen Sichtbarkeit zu verschaffen. Nach Linda Christanell, Maja Vukoje, Tamuna Sirbiladze, Kazuko Miyamoto ist die Werkschau von Maria Hahnenkamp erneut eine, die zumindest in der medialen Wahrnehmung großflächig „durchgerutscht“ ist – auch Ihr Rezensent schreibt diese Zeilen erst gegen Ende der Laufzeit, allerdings mit der Empfehlung, die Chance zur Auseinandersetzung (bis 31. 8.) nicht zu verpassen.  

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Die Sache mit der Sichtbarkeit könnte allerdings im Werk Hahnenkamps angelegt sein, die Belvedere-Chefin Stella Rollig in ihrem Katalogvorwort als „artist’s artist“, vulgo Insidertipp, definiert. Seit den späten 1980ern arbeitet die aus Eisenstadt gebürtige Künstlerin mit Fotografie – allerdings hat sie seit gut 30 Jahren keine Kamera mehr in die Hand genommen, und eine tiefe Bilderskepsis durchzieht das ganze Werk, das die Schau in großer Breite präsentiert. 

Der Stoff der Bilder

Fotografie ist bei Hahnenkamp physisches, greifbares Material, dessen trügerische  Vorgabe, so etwas wie „die Wirklichkeit“ abzubilden, oft auch physisch attackiert wird: Bald nach ihrer Ausbildung in der Friedl Kubelka Schule für künstlerische Fotografie begann Hahnenkamp, die Bildträger-Schicht von ausgearbeiteten Fotos säuberlich abzuschleifen. Die weißen Oberflächen vernähte sie teilweise zu Collagen und Arrangements – eine wandfüllende Arbeit ist als Leihgabe des mumok im Belvedere 21 zu sehen, aber kaum in einem Printmedium oder online zu reproduzieren. Es ist ein weiterer Faktor, der die mediale Sichtbarkeit eines solchen Werks bremst. 

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Die Nähe von Hahnenkamps Praxis zu oft weiblich konnotierten – und tendenziell oft „unsichtbaren“ - Handarbeiten ist kein Zufall: Mehrere Werkserien schaffen eine Analogie zum Bügeln, Nähen, Sticken oder Dekorieren, darunter das „Runde Formen Album“ (1989), in dem Aufnahmen häuslicher Gegenstände halb mit einem gemusterten Spinnenpapier verschleiert werden. Das Ornament, das auch Schleier ist, taucht bei Hahnenkamps Arbeiten später verstärkt auf, sie wird Möbel- und Kleiderstoffe als Ausgangsmaterial und mit dekorativen Stichen, Schnitten und darin enthaltenen Doppelbödigkeiten versehen. 

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Hinter allem steht also ein feministischer Ansatz, doch er kommt subtiler daher als bei der „feministischen Avantgarde“ der 1970er Jahre, die in mancher Hinsicht als Hahnenkamps Vorgängerinnengeneration gelten kann. Die theoretisch unterfütterte Kritik am Wesen der Bilder verankert das Werk aber doch stark in den 1990er Jahren – eine Zeit, in der Hahnenkamp auch in ihrem Brotberuf als Grafikerin tagtäglich mit gedruckten Bildern in Magazinen zu tun hatte. 

Mode, Porno, Ekstase

Mehrere Diashows zeigen in der Schau den genauen Blick der Künstlerin auf das so vorgefundene Material: „Mode/Porno/Ekstase“ werden jeweils drei Bilder nebeneinander projiziert, die jeweils die Codes illustrieren, in denen Frauen in verschiedenen Medien als mondän bis begehrenswert erscheinen. Für eine andere Bildstrecke konstruierte Hahnenkamp eine eigene Vorrichtung, die eine nackten Mann aus einer Unterperspektive zeigt und ihn – durch subtile optische Verzerrungen – näher, angriffiger, übergriffiger erscheinen lässt. Als Modell für das Projekt agierte der Schauspieler Philipp Hochmair, aktuell Darsteller des „Jedermann“ in Salzburg.

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In der digitalen Bildkultur mag sich das Wesen der Bilder und der Fotografie im Speziellen nochmal radikal gewandelt haben – es ist ein Diskurs, der hier außen vor bleibt. Die Konsequenz, mit der Hahnenkamp Bilder und Bildkulturen seziert, ist nichtsdestotrotz vorbildlich und inspirierend für die Gegenwart. Man muss nur sehr genau hinschauen und -hören, um ihre leise Kunst wahrzunehmen. Auch in einer Verstärkerbox wie dem Belvedere 21.

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