Zurückgreifen kann Jung auf einen eingefleischten Kern von circa 500 Personen. „Das sind Komparsen, die versuchen, bei jedem Projekt dabei zu sein“, sagt Jung. Brigitte Heinisch gehört zu diesem Stammpersonal: „Als ich in den Ruhestand geschickt worden bin, ist mir die Decke au dem Kopf gefallen. Ich musste raus, wieder unter Leute, einfach irgendwas machen. Und so bin ich auf die Komparserie gekommen. Es hat mir von Anfang an sehr viel Spaß gemacht. Ich habe neue Menschen kennengelernt und konnte so auch hinter die Kulissen des Films blicken“, sagt die 58-jährige Wienerin.
Bei den Dreharbeiten hat sie auch Gerhard und Elisabeth Weixer kennengelernt. Das Ehepaar aus Klosterneuburg, das ebenfalls bereits im Ruhestand ist, finde es einfach interessant, live und hautnah dabei zu sein, wenn ein Film entsteht. Die Community sei toll, man kenne sich untereinander.
In Covid-19-Zeiten waren die Dreharbeiten auch eine willkommene Abwechslung: „Wir durften raus, konnten das Virus für ein paar Stunden ausblenden“, sagt Gerhard Weixer. Und gedreht wurde bis auf eine kurze Pause zu Beginn des ersten Lockdowns im April und Mai 2020 durchgehend.
Warum sich Menschen bei einer Komparsen-Agentur anmelden, hat für Simon Jung von Filmfaces unterschiedliche Gründe. „Da gibt es mehrere Kategorien. Zum Beispiel jene Komparsen, die bereits in Pension sind. Sie sehen das als Hobby. Dann gibt es Leute, die traurigerweise glauben, dass sie als Komparse groß rauskommen. Das ist aber ein Irrtum. Okay, es mag vielleicht hin und wieder vorkommen, dass jemand entdeckt wird, aber grundsätzlich muss man sagen, dass sich die Komparserie nicht als Sprungbrett für eine große Schauspiel-Karriere eignet. Und dann gibt es Leute, die sich damit ein wenig Geld dazu verdienen möchten bzw. müssen, um sich zum Beispiel die Jahreskarte für das Schwimmbad leisten zu können.“
Leben kann von 30 Euro, so viel bekommt man nämlich als Komparse für einen Drehtag, natürlich niemand. Trotzdem nehmen sich viele sogar extra einen Tag frei. Es mache einfach Spaß, ist Ehepaar Weixer begeistert.
Gerhard Weixers erster Einsatz war 1998 bei „Hinterholz 8“. Seine Frau Elisabeth sammelte noch früher erste Dreherfahrungen – in „Patient aus Leidenschaft“ mit Alfred Böhm (1991). „Danach haben wir aber lange Zeit pausiert, weil es beruflich nicht möglich war. Jetzt sind wir beide in Pension und haben wieder mehr Zeit“, sagt die 63-Jährige.
Für Gerhard Weixer hat sich über die Jahre in diesem Bereich einiges geändert: Bei „Hinterholz 8“ sind die Komparsen „noch in einem kleinen Kammerl gesessen, abgeschottet und isoliert von den Schauspielern. Das ist jetzt besser“. Jetzt komme man mit den Schauspielern mehr in Berührung und sitze auch beim Essen immer wieder zusammen. Eines ist aber gleich geblieben: Die Bezahlung. „Bei ,Hinterholz 8’ habe ich für einen Drehtag 400 Schilling bekommen. Das sind umgerechnet 30 Euro. Die Gage ist also seit mehr als 20 Jahren nie gestiegen, wurde nicht einmal an die Inflation angepasst.“
Es gibt keinen Kollektivvertrag, der das regeln würde. Komparserie ist hierzulande auch keine Kunst. Es ist ein Graubereich, den keiner erhellen möchte. Vor allem nicht die Produktionsfirmen. „Ich bin jetzt 18 Jahre in diesem Geschäft und habe noch nie von einem Produzenten, einer Produzentin gehört, dass genug Geld vorhanden ist. Schon gar nicht für die Komparsen“, sagt Jung.
Warum verdienen in Deutschland Komparsen pro Tag dann das Doppelte? „Dort werden die Komparsen angemeldet, das ist der Unterschied. Bei uns läuft alles über eine Vermittlungvereinbarung und auf Honorarnoten-Basis, weil es das österreichische Gesetz so will und das keiner in der Branche ändern möchte. Aber ohne Komparsen kein Film, das werde leider immer wieder vergessen, so Simon Jung. „Nicht selten kommt es vor, dass Komparsen schlecht behandelt werden und nicht einmal dasselbe Essen bekommen wie die Crew und SchauspielerInnen. Es herrscht oft eine Zweiklassengesellschaft. Und das ärgert mich“, sagt Jung.
Manche Dreharbeiten sind Kurzeinsätze, die nach drei Stunden erledigt sind. Nicht selten dauern sie aber den ganzen Tag oder die ganze Nacht. Für die Gage von 30 Euro wird einem auch einiges abverlangt. Warten gehört dazu. Aber auch schlechtes Wetter und sportliche Betätigung: „Ich erinnere mich an Dreharbeiten um 2 Uhr in der Früh am damaligen Südbahnhof. Die Regenmaschine lief durchgehend. Zusätzlich musste ich noch die ganze Zeit laufen. Wir haben um 18 Uhr angefangen und haben die ganze Nacht durchgedreht. In der Früh waren alle total fertig. Niemand konnte mehr. So etwas würde ich jetzt nicht mehr machen“, sagt Brigitte Heinisch. „Wenn wir eingeladen werden, schauen wir uns die Rahmenbedingungen genau an. Denn wir sind ja auch nicht mehr die Jüngsten. Drehs, die um 17 Uhr beginnen und bis 4 Uhr in der Früh dauern, machen wir nicht mehr“, sagt Elisabeth Weixer.
Natürlich komme es auch immer wieder vor, dass man nach einem Drehtag am Ende nicht im Film zu sehen ist. „Ein Recht im Bild zu sein, gibt es nicht. Das muss man akzeptieren und darüber darf man sich auch nicht ärgern. Das ist einfach so“, sagt Gerhard Weixer.
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