Kippenberger und Lassnig: Ein Rendezvous, nackt im Museum

Kippenberger und Lassnig: Ein Rendezvous, nackt im Museum
Das Münchner Lenbachhaus entdeckt Verwandtschaften zwischen der großen Malerin und ihrem jüngeren Kollegen

Zu den schönen Eigenschaften der Kunst gehört der Umstand, dass Werke auch noch miteinander sprechen können, wenn ihre Urheber bereits verstummt sind.

Die Organisation solcher Gespräche ist der Job von Kuratoren und Kuratorinnen, die bei solchen Unternehmungen aber auch grandios scheitern können: Etwa, wenn sie, von kühnen Ideen geleitet, Bilder in einen Raum hängen und am Ende nur betretenes Schweigen produzieren.

Es gab Grund, skeptisch zu sein, ob die Paarung „Kippenberger und Lassnig“, die nach einer Station in Bozen nun bis 15. September im Münchner Lenbachhaus gastiert, aufgehen würde: Die Malerin, die heuer 100 geworden wäre, und der um fast 35 Jahre jüngere, 1997 in Wien verstorbene Kunstprovokateur waren einander nie direkt begegnet, gesichertes Wissen über ihr sonstiges Verhältnis zueinander ist rar.

Und doch hat Kurator Veit Loers eine überzeugende Schau arrangiert, assistiert von Peter Pakesch, der in den 1980ern Kippenbergers erster Galerist in Wien war und heute Lassnigs Nachlass verwaltet.

Kippenberger und Lassnig: Ein Rendezvous, nackt im Museum

Man sah sich – nicht

Dass die Malerin Kippenbergers Wiener Ausstellungen und auch seine posthume, 1998 in Basel realisierte Selbstporträt-Schau gesehen hat, hält Pakesch für höchst wahrscheinlich. „Gleichzeitig können wir annehmen, dass sich Kippenberger in der Form, in der er sich selbst darstellte, bei Lassnig bedient hat“, so der Zeitzeuge.

Das bloße Nachzeichnen von Einflussvektoren ergibt freilich noch keine gute Ausstellung. Doch die Bilder, die nun im lang gezogenen, in einer U-Bahnstation untergebrachten „Kunstbau“ präsentiert werden, bleiben nicht stumm. Sie begegnen einander vor allem bei der schonungslosen Selbstdarstellung, die beide Künstler praktizierten: Kippenberger etwa stellte alle Positionen der Schiffbrüchigen aus dem berühmten Gemälde „Floß der Medusa“ nach und verarbeitete die Posen weiter. Lassnig malte sich selbst in verzerrter und fragmentierter Form, ständig das eigene Befinden analysierend.

Der Titel „Body Check“ ist diesbezüglich gut gewählt, lässt er sich doch als Aufeinanderprallen, aber auch als ein Überprüfen von Körpern übersetzen. Die Idee, Körperteile aus dem üblichen Verband zu lösen – und etwa ein Auge in den Mund zu nehmen – kommt bei beiden Künstlern in Gemälden vor, ebenso die Verwendung diverser Prothesen: Oswald Wieners Aufsatz über den „Bio-Adapter“, der 1969 wichtige Konzepte zur Mensch-Maschinen-Verschmelzung vorwegnahm, sei für beide Künstler wichtig gewesen, betont Pakesch.

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Alleine tanzen

Wiener war freilich auch Lassnigs zeitweiliger Lebenspartner und in den 70er-Jahren Wirt des Künstlertreffpunkts „Exil“ in Berlin. Hier könnten sich die beiden ungleichen Persönlichkeiten einmal begegnet sein, man weiß es nicht. Dass das Szene-Biotop der beiden zahlreiche Überschneidungen kannte, wird aber an mehreren Punkten offensichtlich – etwa mit dem von Lassnig 1978 gemalten Doppelporträt der Filmemacherin Ulrike Ottinger und ihrer Freundin Tabea Blumenschein. Letztere hofierte Kippenberger intensiv – der gemeinsamen Tanzleidenschaft setzte er mit dem Werk „15 Beine, trotzdem alleine“ (1981) ein Denkmal.

Kippenberger und Lassnig: Ein Rendezvous, nackt im Museum

Da gerade Kippenbergers Œuvre aber oft von Szene-Anekdoten überstrahlt wird, tut die Kombination mit Lassnig in München gut: Der Raum, in dem sich die Bilder unterhalten, ist weit weg von Alkohol und lauter Tanzmusik. Das Setting – in dem bloß Kippenbergers Skulpturen noch etwas unmotiviert herumstehen – ermöglicht einen klaren Blick. Und den haben sich die intensiven Werke zweifellos verdient.

Kippenberger und Lassnig: Ein Rendezvous, nackt im Museum

Info: Lassnig-Festspiele zum 100. Geburtstag

Maria Lassnig (1919 - 2014) wäre heuer 100 Jahre alt geworden. Neben München (bis 15. 9.) widmet  ihr die Wiener Galerie Ulysses bis 28. 9. eine Schau. „Lassnig – Rainer: Das Frühwerk“ eröffnet am 13. 6. im MMKK Klagenfurt (bis 1. 9.) Ab 6. 9. zeigt die Albertina eine Retrospektive.

Zum 2.  Mal vergibt die Lassnig-Stiftung heuer ihren mit 50.000 € dotierten Preis, der  Künstlerinnen in der Mitte ihrer Karriere würdigen soll. Am Freitag, den 7.6., wird er an die  Inderin Sheela Gowda verliehen. Die Preisträgerin 2017, Cathy Wilkes, vertritt heuer Großbritannien bei der Venedig-Biennale. 

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