Iranische Aktivistin und Mutter am Scheideweg: Als Mann wäre sie ein Held

Eine Frau mit langen Haaren liegt im Schnee und umarmt ihre zwei Kinder.
Eine Mutter im Iran muss sich zwischen Gefängnis und Familie entscheiden. Interview mit dem deutsch-iranischen Regisseur Ali Samadi Ahadi über seinen neuen Kinofilm „Sieben Tage“.

Sieben Tage lang hat die iranische Menschenrechtsaktivistin Maryam Freigang aus dem Gefängnis. Sieben Tage lang darf sie die berüchtigte Evin-Haftanstalt für eine medizinische Behandlung verlassen. Kaum auf freiem Fuß, wird sie von Mutter und Bruder mit einer Neuigkeit konfrontiert: Für Maryam wurde die Flucht über das türkisch-iranische Grenzgebiet organisiert. Dort soll sie auf ihren Mann und ihre zwei Kinder treffen, die bereits seit Jahren im deutschen Exil leben. Gemeinsam kann die Familie dann nach Hamburg fliehen.

Doch Maryam zögert. Sie hat Freiheit, Mann und Kinder aufgegeben, um sich für Menschenrechte im Iran einzusetzen. Wenn sie jetzt flüchtet – war dann nicht alles umsonst?

„Sieben Tage“ nennt der im Iran geborene und seit seinem zwölften Lebensjahr in Deutschland lebende Regisseur Ali Samadi Ahadi sein neues Familiendrama (ab Freitag im Kino).

Ahadis filmisches Werk reicht von Culture-Clash-Komödien wie „Salami Aleikum“ bis hin zu Kinderfilmen wie „Pettersson & Findus“ und „Peterchens Mondfahrt“.

Er versuche, Filme zu machen, die ihn inhaltlich interessieren – und dann schaue er, welches Genre sich dafür anbiete, erzählt der Regisseur im KURIER-Gespräch. Für das Projekt „Sieben Tage“ war ihm klar: „Dieser Film ist Thriller und Familiendrama zugleich.“

Ein Gutteil von „Sieben Tage“ erzählt von Maryams lebensgefährlicher Flucht an die iranische Grenze – das ist der Thrilleraspekt des Films.

Das Drehbuch stammt von dem iranischen Regisseur Mohammad Rasoulof, der in Cannes für sein Drama „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ ausgezeichnet wurde. Rasoulof ist mittlerweile aus dem Iran geflüchtet, doch sein Script entstand, bevor er das Land verlassen hatte.

Ein Mann mit Stirnkappe und blauer Jacke blickt in die Kamera.

Der deutsch-iranische Regisseur Ali Samadi Ahadi: "Sieben Tage".

„Das spielt aber keine Rolle“, sagt Ahadi. „Millionen andere haben den Iran verlassen. Ich habe mich an die Erfahrungen von Menschen aus dem Iran und Afghanistan gehalten, die diese Route gegangen sind. Es gibt detaillierte Dokumentationen, die als Inspirationsquelle dienten.“

In fünf kurzen Monaten wurden Team und Dreharbeiten zu „Sieben Tage“ organisiert – „und zwar im Geheimen, sodass das iranische Regime nicht merkt, dass wir dieses Projekt realisieren“.

Rasoulof sowie die politisch aktiven Frauen, deren Schicksale ins Drehbuch hineinflossen, waren noch im Iran beziehungsweise saßen im Gefängnis und durften nicht in Gefahr gebracht werden. Gedreht wurde daher heimlich im Iran (und in Georgien), auf 2.000 Metern Höhe, bei minus 25 Grad, im tiefsten Schnee und meist nachts: „Das war eine Wahnsinnsherausforderung“, sagt der Filmemacher.

Superstar im Iran

Als Maryam auf ihre Familie trifft, muss sie am Ende der sieben Tage die Entscheidung treffen: Freiheit und Familie oder Rückkehr in den Iran – das ist der Aspekt des Familiendramas im Film.

Eine Frau mit langen Haaren kämpft mit den Tränen.

Im Iran ein Superstar: Vishka Asayesh in "Sieben Tage".

Die exzellente iranische Schauspielerin Vishka Asayesh verkörpert Maryam und hält mit ihrem hingebungsvollen Spiel das Publikum dicht an ihrem Herzen.

Im Iran ist Vishka Asayesh ein Superstar, erzählt Ahadi: „Der Iran ist ja eine Filmnation, die ihre Stars, ihre Schauspieler und Schauspielerinnen und ihre Regisseure liebt. Und Vishka Asayesh wird im Iran extrem geschätzt und geliebt.“

Im Zuge der iranischen Protestbewegung „Frau, Leben, Freiheit“ hatte Vishka Asayesh beschlossen, nicht mehr mit Schleier vor die Kamera zu treten: „Das war eine schwerwiegende Entscheidung für sie, weil es das Ende ihrer Karriere bedeutete.“

Mittlerweile lebt Vishka Asayesh in Frankreich, „Sieben Tage“ war ihre erste Rolle ohne Hijab.

In einer Schlüsselszene zwischen Maryam und ihrem Mann geht es um die Entscheidung zwischen Familie und Politaktivismus. Der Vorwurf steht im Raum, dass sie ihre Pflichten als Mutter vernachlässigt: „Wäre ich ein Mann, wäre ich ein Held“, sagt Maryam wütend: „Weil ich eine Frau bin, bin ich eine schlechte Mutter.“

Eine Frau hat ihr Gesicht mit einem Winterschal bedeckt.

Eine Flucht wie im Thriller: "Sieben Tage".

Ali Samadi Ahadi hat dieses Statement an die Erfahrungen von Menschenrechtsaktivistinnen angelehnt, die mit dem Druck und dem Vorwurf seitens der Gesellschaft umgehen müssen, als Mütter versagt zu haben: Für einen Vater, der politisch aktiv wird, sei das Verständnis seitens seiner Umgebung größer als für eine Mutter, so der Regisseur: „Und die Erfahrung sagt, dass es aus der Diaspora weit, weit schwieriger ist, etwas zu bewegen, als wenn man im Land bleibt. Vor allem, wenn man Menschenrechtsaktivistin ist: Da braucht man die Tuchfühlung mit der Gesellschaft.“

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