Ein Sieg für das schwarze Amerika

© APA/AFP/ROBYN BECKKendrick Lamar bei den Grammys.
Mit den fünf Grammys von Kendrick Lamar sind die Awards wieder politisch geworden.
Ein junger schwarzer Mann steht auf einem
Polizeiauto, im Hintergrund weht eine US-amerikanische Flagge, die an den Enden ausgefranst ist. Er beginnt seine Performance mit dem Satz: "All my life I has to fight". Es ist ein Zitat aus dem 1983 veröffentlichten Buch "Die Farbe Lila", das von der Unterdrückung schwarzer Frauen in den
Südstaaten handelt.
Nichts ist "Alright"
Der junge Mann heißt
Kendrick Lamar und er rappte seinen Song "Alright" im Juni des Vorjahres auf den BET-Awards, bei dem afroamerikanische Künstler ausgezeichnet werden. "Alright" erzählt davon, dass eigentlich nichts in Ordnung ist, der Song handelt von
Polizeigewalt gegen Schwarze und von Unterdrückung. "And we hate po-po / wanna kill us dead in the streets for sure“ – wir hassen die
Polizei, weil sie uns töten wollen. 28 Jahre, nachdem
NWA - die "Niggas With Attitude“ - mit "Fuck Tha Police" das weiße
Amerika einschüchterten und den Gangsta Rap begründeten, steht wieder ein Rapper auf der Bühne und sagt den Ordnungshütern den Kampf an. Ein Moderator des konservativen US-Senders Fox kritisierte
Lamar für seinen Auftritt auf dem
Polizeiauto und sagte, "am HipHop haben junge schwarze Männer mehr Schaden genommen als an Rassismus“.
Nicht HipHop, die Realität sei das Problem, entgegnete
Lamar in einem Interview.
Freddie Gray in
Baltimore.
Michael Brown in Ferguson.
Eric Garner in
New York. Die Liste der Schwarzen, die von Polizisten getötet wurden ist lang, zu lang. 303 Schwarze waren es alleine im Vorjahr, so jedenfalls die Statistik des
Guardian. Und so sehr
Kendrick Lamar auch von der Tradition des Gangsta Rap lebt (er ist ein Schützling des NWA-Mitbegründers Dr. Dre) ist er doch eine viel reflektiertere Stimme - keine Gewaltverherrlichung, keine Frauenfeindlichkeit, keine
Drogen. Er hat sich von der Ganggewalt genauso losgesagt wie musikalisch vom engen Korsett des HipHop.
Lamar ist die Stimme des schwarzen
Amerika geworden und als Präsident
Barack Obama Ende 2015 nach seinem Song des Jahres gefragt wurde war es einer von
Kendrick Lamar.
Alles wird gut
Die Grammy-Jury sah das ähnlich wie der Präsident, elf Mal war
Lamar heuer nominiert - auf mehr Nominierungen brachte es bislang nur
Michael Jackson. Unter den Nominierungen waren jene für das beste Album" ("To Pimp A Butterfly") und eben den besten Song. Mit fünf
Grammys ist er der große Sieger, nachdem er 2014 noch leer ausging (und sich
Macklemore, Gewinner des bestes Rap-Albums bei ihm per SMS entschuldigte, ihm den Award gestohlen zu haben, den er verdient gehabt hätte), aber die großen Kategorien - bestes Album und bester Song - blieben ihm auch dieses Mal verwehrt. Obwohl es viele Argumente gibt, dass "Alright" zumindest der wichtigste Song des vergangenen Jahres war.
Es ist ein Song, der mehr ist als nur ein Song, weil er eine gesellschaftliche Stimmung aufgreift und ihren Nerv trifft. "Alright" wurde die Hymne der "Black Lives Matters"-Bewegung, die Gewalt gegen und Unterdrückung von Schwarzen in den Staaten anprangert. "We gon’ be alright“, den Refrain, rufen sie auf ihren Veranstaltungen. Denn am Ende handelt "Alright" nicht nur von der
Polizeigewalt, sondern von der Hoffnung, so naiv und unbegründet sie auch sein mag. "Do you hear me, do you feel me, we gon’ be alright". Es klingt mehr wie ein Mantra denn eine Überzeugung: Alles wird gut, irgendwann.
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