John Magaro spielt Keith Jarrett: "Es ist nicht wie ein Bob-Dylan-Film"

Keith Jarrett (John Magaro) spielt sein legendäres Improvisations-Solokonzert in der Kölner Oper: „Köln 75“ von Ido Fluk
„The Köln Concert“ des amerikanischen Jazzpianisten Keith Jarrett verkaufte sich über vier Millionen Mal. Bis heute gilt es als das erfolgreichste Solo-Jazz-Album aller Zeiten und fand sich in jeder ernst zu nehmenden Plattensammlung.
Dass dieses Konzert beinahe nicht stattgefunden hätte, ist heute ein Treppenwitz der Musikgeschichte. Keith Jarrett, der sich nach seinem internationalen Durchbruch als Mitglied der Jazzrockformation von Miles Davis im Karrieretief befand, tourte durch Europa. Sein Auftritt im Kölner Opernhaus am 24. Januar 1975 wurde von der damals erst 18-jährigen deutschen Veranstalterin Vera Brandes organisiert. Gemeinsam mit seinem Produzenten Manfred Eicher kam Jarrett im klapprigen R4 aus der Schweiz angereist und hatte die ganze Nacht kaum ein Auge geschlossen. Zudem litt er unter starken Rückenschmerzen. Als er anstelle des versprochenen Bösendorfer Imperial 290 nur einen lädierten Bösendorfer Stutzflügel im Konzertsaal vorfand, hatte Jarrett die Nase voll. Er weigerte sich, unter diesen Bedingungen anzutreten.
Das Konzert steht auf des Messers Schneide. Nur durch das flehentliche Bitten von Vera Brandes lässt sich Jarrett schließlich erweichen und spielt trotz – oder gerade wegen der denkbar ungünstigen Bedingungen, sein Jahrhundertkonzert.
Die Geschichte des Konzerts und wie es beinahe nicht zustande kam, erzählt der israelische Regisseur Ido Fluk in seinem flott inszenierten Film „Köln 75“ (derzeit im Kino). Fluk fokussiert vor allem auf die junge Vera Brandes (gespielt von Mala Emde), die Himmel und Erde für das Gelingen der Veranstaltung in Gang setzt. Der, um den sich alles dreht, ist Keith Jarrett, faszinierend introvertiert verkörpert von John Magaro.

John Magaro spielt Keith Jarrett: "Köln 75"
Nein, sagt John Magaro, amerikanisch entspannt, im KURIER-Interview: Er habe Jarrett vor der Arbeit an dem Film nicht gekannt. Aber einmal in die Materie eingearbeitet, konnte er sich der Faszination des legendären Pianisten nicht mehr entziehen: „Keith Jarrett ist ein Genie. Seine Fähigkeit, ein gesamtes Klavierstück spontan zu improvisieren, ist einfach unglaublich.“
Er selbst habe zwar in seiner Jugend Klavier gespielt, musste sich aber mithilfe eines Musiklehrers in New York in ganz neue Dimensionen hinein arbeiten: „Die Stücke von Keith Jarrett lebten nur während seines Konzerts. Wenn sie nicht aufgenommen wurden, waren sie danach weg.“ Das sei auch das Besondere an „Köln 75“, findet Magaro: „Es ist nicht wie ein Bob-Dylan-Film, wo man jeden einzelnen Song kennt und immer wieder spielen kann. Keith spielte seine Stücke ein Mal, dann wurden sie nie wieder gehört.“
Keith Jarrett
Geboren 1945 in Pennsylvania, hatte Jarrett seit seinem dritten Lebensjahr Klavierunterricht und galt als Wunderkind. Er spielt überwiegend Jazz, aber auch klassische Musik. Seinen Durchbruch hatte er als Mitglied der Jazzrockformation von Miles Davis
The Köln Concert
Die Albumaufnahme des Improvisations-Solokonzerts entstand am 24. Jänner 1975 in der Kölner Oper und wurde von Vera Brandes organisiert
Der Film
„Köln 75“ von Ido Fluk erzählt, wie die junge Vera Brandes trotz großer Schwierigkeiten alles daran setzt, das Konzert von Keith Jarrett in Köln zu ermöglichen. In den Hauptrollen spielen Mala Emde und John Magaro
Keine Musikrechte
Keith Jarrett, offenbar ein recht eigenwilliger Zeitgenosse, hatte so gar keine Lust, mit dem Filmemacher und seinem Team in Kontakt zu treten. Er gab auch die Musikrechte nicht her. John Magaro spielte daher Improvisationsstücke auf dem Klavier, die extra für den Film komponiert wurden. Bis ins kleinste Detail studierte er mithilfe von Konzertaufnahmen Jarretts Manierismen, seine Geräusche und „warum er so spielte, wie er spielte“ bis: „Denn mehr noch als die technischen Aspekte macht sein Stil sein Klavierspiel aus.“

Das Konzert steht auf der Kippe: Mala Emde als Vera Brandes in "Köln 75"
Und ja, er hätte zu gerne mit Keith Jarrett Kontakt aufgenommen, der noch dazu gar nicht weit weg in New Jersey lebe, seufzt der Schauspieler: „Aber das war nicht möglich. Ich habe immerhin mit seinem Bruder gesprochen, um einen Eindruck zu bekommen, wie er so ist. Das Bild, das mir von ihm gezeichnet wurde, war das eines sehr schwierigen, isolierten Mannes. Ich glaube, so etwas passiert, wenn man ganz jung ins Rampenlicht gestoßen wird und von jedem gesagt bekommt, dass man der tollste Pianist der Welt ist“, meint John Magaro: „Hinzu kam, dass Keith Jarrett zu diesem Zeitpunkt gerade seinen Karrierehöhepunkt mit Miles Davis hinter sich hatte und sich neu erfinden wollte. Er befand sich an einem Tiefpunkt. Aber er blieb seiner künstlerischen Vision treu – und wurde mit enormem Erfolg belohnt.“
Ob sich Jarrett „Köln 75“ je anschauen würde? „Vielleicht“, sagt John Magaro – und zuckt mit den Achseln: „Aber ich glaube eher nicht.“
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