Rundumschläge
Was stand nun in den inkriminierten Postings? Sie sind wahrscheinlich einzeln besehen unterschiedlich zu bewerten, aber sie sind in ihrer Gesamtheit, was ihre Ziele betrifft, durchaus umfangreich. Einer bezog sich sogar auf eine Oscar-Verleihung, die erste nach der Pandemie 2021. Damals gewann „Nomadland“ und damit die chinesische Regisseurin Chloe Zhao. Gascón kommentierte: „Die #Oscars schauen immer mehr aus wie eine Zeremonie für Independent-Filme und Protest. Ich wusste nicht, sehe ich ein afro-koreanisches Festival, eine Black Lives Matter Demo oder einen Frauentagsmarsch.“ Black Lives Matter hat Gascón in einem anderen der kritisierten Tweets aufgegriffen, da bezeichnete sie den durch Polizeigewalt umgekommenen George Floyd, der Auslöser und Symbolfigur der Bewegung wurde, als „Junkie und Stricher“.
Ein Foto einer islamischen Familie, auf dem die Frau eine Burka trägt, untertitelte sie so: „Islam ist wunderbar, ganz ohne Machismus. Frauen werden respektiert, und mit diesem Respekt lässt man ihnen ein kleines eckiges Loch für ihre Augen und für ihren Mund, wenn sie sich benehmen. Obwohl sie sich so anziehen, weil es ihnen Vergnügen bereitet. Wie zutiefst unappetitlich von der Menschheit.“ In einem anderen Tweet soll sie Adolf Hitler verharmlost haben.
Kein Verzicht auf Nominierung
Die Aufforderung, ihre Nominierung aufgrund der Empörung abzugeben, lehnte Gascón in dem CNN-Interview ab: „Ich kann nicht auf meine Nominierung verzichten, weil ich meinen Job gemacht habe und weil meine schauspielerische Arbeit bewertet wird. Und ich kann nicht verzichten, denn ich habe kein Verbrechen begangen, niemand ist zu Schaden gekommen. Ich bin keine Rassistin und nichts von all dem, was andere Leute nun wollen, dass die Welt von mir denkt.“
Die Wahl der Preisträger findet in den nächsten Tagen statt, die Mitglieder der Academy stimmen zwischen dem 11. und 18. Februar ab. Dass die Nominierung von der Oscar-Academy aberkannt wird, was manche Branchenblätter auch schon gefordert haben, ist eher abwegig.
Solches ist zwar schon vorgekommen, aber noch nie wegen politisch inkorrekter Aussagen. Die Gründe waren eher technischer Natur, etwa falsche Kategorisierungen oder Regelverstöße wie unerlaubtes Lobbying. Oder im Fall von Charlie Chaplin („Der Zirkus“) die Sorge, dass er alle Aufmerksamkeit bei der allerersten Oscar-Nacht 1929 auf sich ziehen würde. Deshalb bekam er einen eigens erfundenen „Ehren-Oscar“ für den Film.
Aufmerksamkeit hat „Emilia Pérez“ genug, aber in dieser heiklen Phase von der falschen Sorte. Bei den Wettbüros sind die Quoten für einen Gewinn des Films schon im Keller.
Klischees
Das wird wiederum Mitglieder der lateinamerikanischen Community freuen, die den Film schon vor dem Twitter-Skandal ins Visier genommen haben. Sie orteten eine Anhäufung mexikanischer Klischees, die in der Filmtradition Hollywoods schon lange Methode hätten: Vom Drogenboss über entführte Personen bis zum Guacamole-Mundgeruch. Selena Gomez wurde angekreidet, dass ihr Spanisch schlecht sei. Und auch dass die Musicalnummern überhaupt nicht auf die mexikanische Tradition referieren, stieß auf Unmut.
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