Für Stefan Bachmanns Inszenierung von „Manhattan Project“ im Akademietheater, der zweiten Bühne der Burg, konstruierte Olaf Altmann ein gewaltiges Hamsterrad, das man auch als Ventilator interpretieren kann. Eine ähnliche Maschine mit Sogwirkung, ebenfalls vergittert, dreht sich seit Donnerstag bedächtig in den Kammerspielen, der zweiten Bühne der Josefstadt. Sie soll aber wohl eher ein Windrad symbolisieren. Denn John Steinbecks „Von Mäusen und Menschen“ spielt auf einer Ranch in Kalifornien.
Schon recht früh lässt der Boss mit Sätzen aufhorchen, die dem von Steinbeck selbst dramatisierten Roman (aus 1937) erstaunliche Aktualität verleihen: „Wir sind tapfer, wir leben stolz, wir träumen kühn und nichts wird uns im Wege stehen, denn wir sind Amerikaner. Die Zukunft gehört uns. Und unser goldenes Zeitalter hat gerade erst begonnen. Gott segne Amerika.“
Regisseur Torsten Fischer kann sich mithin jeden Fingerzeig auf die Gegenwart sparen. Die Ausstatter, Herbert Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos, betonen zudem unaufdringlich die Zeitlosigkeit des Stücks wie der deprimierenden Aussage: Paula Nocker verdreht zwar allen Männern den Kopf im flatternden Kleidchen der 1930er-Jahre, Johannes Seilern hingegen markiert den knarzigen Boss mit Krawatte und Kappe. Ansonsten dominieren Jeans und Denim als Arbeitskluft in allerlei Variationen.
Der Ranch als Konzentrationslager, in dem der Mensch des Menschen Wolf ist, vermag niemand zu entfliehen. Dass es in diesem Rudel einen geben soll, der den Schutzbefohlenen nicht ausbeutet oder ausnimmt, vermag der alte Boss gar nicht zu glauben. Und doch: Claudius von Stolzmann, verdienter Nestroypreis-Gewinner, kümmert sich als rechtschaffener George geradezu rührend um Lennie, den Tollpatsch, der unabsichtlich nicht nur Mäuse und Welpen zu Tode streichelt.
Robert Joseph Bartl ahmt mit nestelnden Handbewegungen und den entsprechenden Ticks und Gesten einen geistig zurückgebliebenen Menschen nach. Aber er gibt sein Riesenbaby nie der Lächerlichkeit preis, er nimmt einen gefangen mit seiner liebevollen Interpretation. Der Nachname von Lennie - Small – reizt zwar zum Schmunzeln. Ansonsten gibt es in den Kammerspielen nicht viel zu lachen. Die Bestien spielen lautstark Bestien (darunter Alexander Strömer als Carlson und Luka Vlatković als Curley), zum Einsatz kommen keine Trommelrevolver, sondern Pistolen, die auch SS-Lagerleiter verwendet haben könnten.
Nach der Pause zerplatzen nacheinander die Träume, so auch jener von Candy, dessen Leben alles andere denn ein Honigschlecken war. Der arg gebeutelte Jammerlappen des Johannes Krisch, zurück auf der Bühne, dauert einen. Und so ist es die letzte halbe Stunde mucksmäuschenstill im Saal. Ja, traditionelles Guckkastentheater. Aber mit welcher Intensität! Riesiger Applaus.
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