Junge Kunstszenen Wien: Wo sich heute etwas abspielt

Junge Kunstszenen Wien: Wo sich heute etwas abspielt
Das Belvedere 21 will die künstlerische Breite Wiens zeigen. Doch diese erweist sich als schwer fassbar

Wird der Puls gefühlt, muss man sich häufig um die Gesundheit eines Patienten Sorgen machen. In der Kunstwelt ist das anders: Der Umstand, dass sich allein in Wien Standortbestimmungen in Form von Überblicksausstellungen, Biennalen, Galerienfestivals, Kunstwochen und dergleichen in den letzten Dekaden vervielfacht haben, wird gemeinhin als Zeichen von Lebendigkeit gesehen.

Gleichzeitig ist das, was da so vor sich hin pulsiert, schwer zu definieren. Man bezeichnet es gern als „die Szene“, doch es ist schnell klar, dass es eine solche nicht wirklich gibt: Wer eine Gruppe von Kunstschaffenden, Galerien oder Institutionen als relevant befindet, hat womöglich von einer anderen Gruppierung, die sich selbst für mindestens genauso relevant hält, noch nie gehört.

Junge Kunstszenen Wien: Wo sich heute etwas abspielt

Leistung, schau!

Dieser Tage bietet sich wieder die Gelegenheit, über dieses Dilemma zu sinnieren: Das Belvedere 21 hat bis zum 2. Juni eine Schau mit dem Titel „Über das Neue – Junge Szenen in Wien“ eingerichtet. Sie versteht sich in gewisser Hinsicht als Fortsetzung des Überblicks-Formats „Lebt und arbeitet in Wien“, das von der Kunsthalle Wien unter Direktor Gerald Matt dreimal (2000, 2005, 2010) ausgerichtet und von Matts Nachfolger Nicolaus Schafhausen 2015 als „Destination Wien“ adaptiert wurde.

Schafhausen verwendet den Begriff „Szene“  nicht gerne – nach dem Verständnis, das auch in der  Programmatik der  Kunsthalle sichtbar wird, ist das über Ortsgrenzen vernetzte Arbeiten für die Kunst im Digitalzeitalter relevanter als die Zusammenrottung  um Galerien, Akademien, temporäre Kunsträume, Cafés oder andere lokale „Szene-“ Einrichtungen.

Das Kuratorenduo im Belvedere 21, Severin Dünser und Luisa Ziaja, konnte seinerseits das Profil des früheren „20er-“ bzw. 21er“-Hauses mit zahlreichen Veranstaltungen und Ausstellungen so weit schärfen, dass die Institution als relevanter Ort im jüngeren Wiener Kunstleben gelten darf. Umso enttäuschender ist, dass ihre aktuelle Ausstellung den Begriff „Szenen“ zwar im Titel führt, diesen aber nicht weiter erläutert: Das Konzept sieht bloß vor, dass zu 18 subjektiv ausgewählten Kunstschaffenden unter 35 drei Pavillons in die Schau eingebaut wurden, in denen sich abwechselnd 12 Wiener Projekträume präsentieren: Neue Werke aus Wiener Ateliers sind da ebenso zu sehen wie Beiträge von Künstlern aus anderen Ländern.

Junge Kunstszenen Wien: Wo sich heute etwas abspielt

Lukas Posch, "X", 2019

Knotenpunkte

Wie die Netzwerke beschaffen sind, die die Produktion und Präsentation von Kunst heute ermöglichen, bleibt aber vage. „Über das Neue“ ortet eine Hinwendung zu mehr Handwerk, doch dass es einen „Wiener Stil“ geben könnte, glaubt niemand. Die Zeit, in der sich Gleichgesinnte zu „Schulen“ zusammenschlossen, ist sowieso vorbei, auch Power-Kuratoren, die einer Stadt ihren Stempel aufdrücken könnten, sind rar.

Gerade weil der Überblick unmöglich scheint, wäre es aber lohnend, die Strukturen des Betriebs klarer darzustellen. Der Begriff „Szene“ hat dazu gewiss noch nicht ausgedient.

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