Julie Delpy über ihre neue Komödie: „Ich mache mich über alle lustig“

Zuschauer sitzen aufmerksam bei einer Veranstaltung.
Julie Delpy setzt sich in ihrer Culture-Clash-Komödie „Die Barbaren – Willkommen in der Bretagne“ als Lehrerin für Flüchtlinge ein

Seit Julie Delpy gemeinsam mit Ethan Hawke durch Wien flanierte, ist sie weltbekannt. Bis heute zählt „Before Sunrise“ (1995) von Richard Linklater zu den charismatischsten Filmen, die je in dieser Stadt entstanden.

Delpy selbst wurde 1969 in Paris geboren, lebt aber seit Langem in Los Angeles. Weil ihre Eltern als Theaterschauspieler viel umherzogen, verbrachte sie in ihrer Jugend viel Zeit in der Provinz; bei einer Tante in Paimpont, zum Beispiel, einem Dorf in der Bretagne.

Genau dort hat Delpy, die nicht nur als Schauspielerin arbeitet, sondern seit 2007 auch selbst Filme dreht, ihre Culture-Clash-Komödie „Die Barbaren – Willkommen in der Bretagne“ (derzeit im Kino) angesiedelt. Erzählt wird von einer munteren Dorfgemeinschaft, deren mediensüchtiger Bürgermeister gerne das Rampenlicht sucht. Auf Betreiben der wohlmeinenden Lehrerin Joëlle – verkörpert von Delpy selbst – überredet er seine Mitbürger, eine Familie ukrainischer Flüchtlinge aufzunehmen. Ein Fernsehteam soll das regionale Vorbild französischer Willkommenskultur dokumentieren, und Paimpont – allen voran den Bürgermeister – gut dastehen lassen.

Die bretonischen Gesichter werden allerdings immer länger, als anstelle der erwarteten Ukrainer eine syrische Familie aus dem Kleinbus klettert. „Hat der Typ drei Frauen?“, will der schockierte französische Supermarktbesitzer wissen, der die Schwester und Tochter an der Seite des syrischen Familienvaters gleich mit einem Harem verwechselt.

„Dabei handelt es sich einfach um eine anti-muslimische Haltung, um Rassismus gegen Araber. So simpel ist das“, sagt Julie Delpy lakonisch im Gespräch mit dem KURIER: „Es gibt leider eine Hierarchie unter Flüchtenden zwischen denen, die mehr und denen, die weniger erwünscht sind.“

Als Regisseurin und Drehbuchautorin in Personalunion hatte sie im Zuge der Flüchtlingskrise Mitte der 2010er-Jahre begonnen, an einer Komödie über Migration aus Syrien zu schreiben. Sie sei dabei „fast journalistisch“ vorgegangen und interviewte Betroffene, Hilfsorganisationen und all jene Menschen, die sich um Flüchtlinge kümmern. Als dann der Ukraine-Krieg ausbrach, wurde sie von den Reaktionen darauf überrascht: „Viele Menschen in Frankreich, Polen oder Spanien hießen ukrainische Flüchtende willkommen und stellten ihre eigenen Wohnungen zur Verfügung. Wir hingegen hatten es mit syrischen Migranten zu tun, die es kaum ins Land schafften und mit zehn Mal mehr Schwierigkeiten zu kämpfen hatten als die Ukrainer.“

Kein Quotenbringer

Die flaue Anteilnahme an syrischen Vertriebenen spiegelt Julie Delpy komödiantisch in ihrem Film wider: Das Fernsehteam, das anfänglich noch mit gezückter Kamera dabei steht, als der Bürgermeister die Neuankömmlinge im Dorf begrüßt, verliert rasch das Interesse an der arabischen Familie.

Ähnlich erging es auch Delpy auf der Suche nach der Filmfinanzierung, die aus Desinteresse am Thema vielfach abgelehnt wurde: „Das war eine ziemlich witzige Parallele.“

Apropos witzig: „Irgendwie mag ich Komödien“, sagt Julie Delpy, deren Regiewerk nicht umsonst vornehmlich aus diesem Genre besteht: „Ich wollte mich über die Beschränktheiten von uns Franzosen lustig machen – und über Rassismus, den ich für dumm und unnötig halte. Rassismus macht niemanden glücklich, nicht einmal Rassisten.“

Drei Männer stehen vor einem Gebäude in einer Stadt.

Laurent Lafitte (re.) als rassistischer Installateur 

Der Oberrassist der Dorfgemeinde ist ein fescher Installateur (Laurent Lafitte), der die bretonische Seele vor Überfremdung bewahren möchte, wiewohl er selbst gar kein „echter“ Bretone ist. Doch auch die weltverbessernde Lehrerin bekommt ihr Fett ab: „Ich mache mich über alle lustig.“

Vater Delpy

Einer der schrulligsten Bewohner von Paimpont ist ein alter Bauer, der seine Landsleute damit provoziert, dass er den Fremden ein Stück Land um nur einen Euro verkauft. Er wird vom Vater der Regisseurin, dem 83-jährigen Albert Delpy, verkörpert. Das sei gar nicht so einfach, so die Tochter, denn „wir hatten immer ein bisschen eine schwierige Beziehung. Aber jetzt, wo er alt ist, ist er super süß.“

Eine Gruppe von Menschen steht im Freien, darunter ein Mann mit einer Schärpe in den französischen Nationalfarben.

Die konsternierten Dorfbewohner (li.) haben eine ukrainische Familie erwartet: "Die Barbaren - Willkommen in der Bretagne"

Hätte sie ihre Culture-Clash-Comedy auch in den USA drehen können? „Ich wollte einen optimistischen Film machen, eine Art Märchen mit Happy End. In Amerika aber gibt es Waffen. Dort wäre es eher keine Komödie geworden, sondern düster und fucked up.“

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