„Thunderbolts“ (derzeit im Kino) kehrt zurück zu ein paar Ur-Tugenden des Genres wie interessante Figurencharaktere, guter Humor und zügige Action. Offensichtlich hat es sich bis in die Chefetagen herumgesprochen, dass das Massenpublikum bei dem Wort „Superhelden“ das fade Aug’ bekommt. Rechtzeitig vor der nun folgenden Phase sechs des MCU kommt es nun zur längst notwendigen Image-Politur: „Thunderbolts“ macht auf cool – und das sehr erfolgreich. Als gute Wahl erwies sich bereits Regisseur Jake Schreier, der sich mit Hipster-Serien wie „Beef“ profilierte und einen Touch von Independent-Kino in den Marvel-Mix brachte.
Herausragend auch das Schauspiel-Ensemble, das die „Thunderbolts“ in eine charismatische Anti-Heldengruppe verwandelt. Denn eigentlich handelt es sich um eine Gruppe von Losern, angeführt von Yelena Belova, bekannt aus „Black Widow“ und bestens verkörpert von Florence Pugh (die ihre Stunts wie einen Sprung aus dem Hochhaus – ganz Tom Cruise – selbst absolvierte). An ihre Seite gesellen sich im Captain-America-Outfit John Walker alias U. S. Agent, die ehemalige S.H.I.E.L.D.-Agentin Ghost, Jelenas russischer Wodka-Vater Supersoldier Red Guardian – und Ex-Winter Soldier und Kongressabgeordneter Bucky Barnes (gespielt vom großartigen Trump-Impersonator Sebastian Stan aus „The Apprentice“).
Ursprünglich können die Thunderbolts einander nicht ausstehen, doch ihre gemeinsame Feindin bindet sie schließlich aneinander und schmiedet sie zu einer Gruppe zusammen, die mit ihrem Humorpotenzial an „Guardians of the Galaxy“ erinnert.
Was aber wären Superhelden ohne einen würdigen Superbösewicht?
Im Falle von „Thunderbolts“ handelt es sich dabei um die dubiose CIA-Chefin Valentina Allegra de Fontaine, amerikanisch-kurz Val genannt und – und biestig verkörpert von Julia Louis-Dreyfus. Als Val trägt sie eine hellgraue Susan-Sontag-Strähne im dunklen Haar und weist mit gewinnendem Kampflächeln und dem guten Timing einer Screwball-Comedian jeden Gegner zurück.
Traumatherapie
Val steht bei einem Hearing vor dem US-Kongress und muss sich wegen Verdachts auf illegale Unternehmungen verteidigen. Um alle Spuren in ihrer Vergangenheit zu verwischen, hat sie angeordnet, ihre früheren Dienstnehmer – die zukünftigen Thunderbolts – in eine tödliche Falle zu locken und dort gemeinsam zu eliminieren.
Julia Louis-Dreyfus – älteren Generationen als Jerry Seinfelds Ex-Freundin Elaine Benes aus der Serie „Seinfeld“ und später als Vizepräsidentin in „Veep“ bekannt – hat mit viel Gusto die Rolle der Valentina Allegra de Fontaine übernommen. „Ich liebe es, Bösewichte oder sogenannte unsympathische Menschen zu spielen“, schwärmt die Schauspielerin im KURIER-Gespräch mit überzeugender Begeisterung: „Diese Charakter sind meist komplexer und interessanter. Als Darstellerin finde ich solche Figuren nicht unsympathisch, sondern kompliziert. Jeder ist aus einem bestimmten Grund so geworden, wie er ist, selbst die abscheulichsten Menschen. In Vals Fall bekommt man im Film einen Einblick in Ereignisse aus ihrer Kindheit, die sie zu dem gemacht haben, wer sie ist.“
Stichwort: Trauma.
„Thunderbolts“ handelt davon, wie ein Superheld aufgrund eines Kindheitstraumas düstere Kräfte entwickelt und damit droht, die Bevölkerung New Yorks in sein dunkles, auslöschendes Nichts zu zerren. Erst mithilfe kollektiven Traumabewältigung lässt sich die Ausbreitung der tödlichen Dunkelheit bekämpfen.
„,Thunderbolts‘ ist ein Ensemble-Film, in dem wir alle unser Bestes gegeben haben. Uns war klar, dass wir brennende und relevante Themen in unsere Gesellschaft ansprechen“, sagt Julia Louis-Dreyfus und lässt dabei offen, wie politisch sie ihre Antwort verstanden wissen will: „Es geht um Isolation und darum, dass sich Menschen nicht zugehörig fühlen. Der Film handelt davon, wie man diese Vereinzelung überwindet und wieder zu einer gemeinsamen Handlungsfähigkeit kommen kann. Die Verbindung untereinander trägt zur Heilung bei – so abgedroschen das auch klingen mag.“
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