Joyce Muniz: "Ich war zunehmend von Wien gelangweilt"

Der Name „Zeitkapsel“ spricht für sich. Das zweite Album von Joyce Muniz ist nämlich eine musikalische Reise, in der es einerseits in die Vergangenheit, andererseits in die Zukunft geht. „Dafür habe ich meine Plattensammlung durchforstet, geschaut, was mich beeinflusst, geprägt und über die Jahre begleitet hat. Anfangs waren es zum Beispiel Trip-Hop und Bands wie Massive Attack“, sagt die in Brasilien geborene und in Wien aufgewachsene Musikerin, die seit Jahren als gefragter DJ durch die Welt reist.
Ihre Liebe zur elektronischen Musik entdeckte die 39-Jährige Ende der 90er-Jahre, als sie mit der zu dieser Zeit sehr umtriebigen wie international angesehenen Wiener Downbeat-Szene in Berührung kam. „Damals war ich sehr viel im Flex unterwegs. Ich habe dann auch angefangen, Schallplatten zu kaufen und aufzulegen.“
In den Nullerjahren zog sie bei ihren DJ-Sets das Tempo an, verlieh der europaweiten Baile-Funk-Begeisterung eine Stimme und begann, selbst Musik zu produzieren. Seitdem hat sie mit einer Reihe von Techno- und House-Szenegrößen wie beispielsweise Maya Jane Coles oder DJ Hell zusammengearbeitet. Ein Hit (im kommerziellen Sinn) gelang Muniz dann 2010 mit dem Lied „Kabinenparty“, das sie gemeinsam mit dem Rapper Skero produzierte.
Maximal
Mit den Arbeiten zu „Zeitkapsel“ hat sie zu Beginn der Pandemie begonnen. „Ich war aber zunehmend von Wien gelangweilt, weil ich keinen Austausch mit anderen Künstlerinnen und Künstlern hatte. In Berlin ist das Umfeld, die Szene und alles wesentlich ergiebiger. Ich habe in Berlin mittlerweile auch einen Platz in einem Tonstudio bekommen, den ich mir mit anderen teile. Ich würde sagen, dass der Umzug nach Berlin für meine Karriere einfach enorm wichtig war. Während der Pandemie war ich dann aber viel in Wien, weil hier meine Familie lebt. Und ich hatte Zeit, Musik zu machen und so ist das Album auch entstanden.“
Die zwölf auf „Zeitkapsel“ zu findenden Tracks bilden das breite Soundspektrum ihrer bisherigen Arbeiten gut ab. Es ist ein abwechslungsreiche, groovige und basslastige Platte geworden, die nicht bloß einen Dancefloor-Kracher nach den anderen bietet, sondern hin und wieder auch das Tempo zügelt. Muniz versteht es, mit verschiedenen Stilen zu jonglieren, platziert neben Electro-House eine von Drum ’n’ Bass inspirierte Nummer, kombiniert Achtzigerjahre-Synthesizersounds mit Hip-Hop-Beats.
Auffällig dabei: Die stets ausgeprägte Bassline. Es geht also eher maximal statt minimal zur Sache. Mit Minimal-Techno könne sie auch kaum etwas anfangen. „Ich respektiere diese Musik, aber wenn ich jetzt in einem Club stehe, dann will ich tanzen - und das kann ich zu Minimal nur schwer.“
Gästeliste
Am Album haben sich ungefähr 40 Personen beteiligt. Es gibt einige Features, wie zum Beispiel die Zusammenarbeit mit befreundeten Musikern und Gastsängern. Roland Clark, die Stimme hinter dem Dancefloor-Evergreen "I Get Deep", beschwört auf „Imagine“ eine Utopie herauf. In "The Rhythm Is Love" legt Fritz Helder, der ehemalige Frontmann von Azari & III hinzu, seine Stimme um über Pianoklänge. Und Play Paul, auch bekannt als Mitglied von Buffalo Bunch und Bruder von Guy-Manuel de Homem-Christo von Daft Punk, liefert zu "How I Feel" House-Feeling. Abgemischt und gemastert hat das Ganze der ebenfalls in Wien ansässige Musiker und Produzent Rodney Hunter.
In Wien wird sie die Veröffentlichung von "Zeitkapsel" diesen Freitag im Club Sass feiern. Viel Zeit für Party bleibt ihr aber nicht, denn sie arbeitet gerade an einer Liveshow, bei der sie zusammen mit deutschen Kollegen (Andreas Henneberg, Alec Troniq) und dem Babelsberger Filmorchester unter dem Titel "Synth Happens" auftreten wird.
Zur Person: Joyce Muniz ist eine in Brasilien geborene DJ und Produzentin mit österreichischen Wurzeln. Sie hat in ihrer Karriere bereits zahlreiche erfolgreiche Singles und Remixes veröffentlicht. Zu ihren bekanntesten Tracks gehören "Chapter 4" feat. Aquarius Heaven, "Back in the Days" feat. Bam und "Drop in Pressure" feat. Knixx, Sleepless feat. Angelique Bianca und die Zusammenarbeit mit dem heimischen Rapper Skero für "Kabinenparty". Mit "Made In Vienna" legte sie im Jahr 2016 ihr Debütalbum vor. Joyce Muniz ist auch Moderatorin beim heimischen Radiosender FM4, wo sie unter anderem die Sendung FM4 La Boum Deluxe mitgestaltet. Mit "Zeitkapsel" legt die 39-Jährige ihr zweites Album vor.
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