Josefstadt: Bilderkampf im Museum der Familienhölle

Josefstadt: Bilderkampf im Museum der Familienhölle
Kritik: "Ritter Dene Voss" von Thomas Bernhard.

Wir leben in einer Zeit des Bilderkampfes. Klimaaktivisten und -aktivistinnen beschütten Meisterwerke in Museen mit Suppe oder Kartoffelpüree (bisher ohne größeren Schaden anzurichten) und setzen damit genau genommen einen künstlerischen Akt: Bilder werden mit einer neuen Bedeutung übermalt, aus kollektiver Erinnerung wird dadurch kollektives Bewusstsein.

Die Bilder von den Protestaktionen erinnern daran, dass da draußen etwas vorgeht, das möglicherweise mindestens so wichtig ist wie Kunst: Eine Klimakatastrophe, die mittelfristig das Leben von Millionen Menschen bedroht.

Hässliche Bilder

Thomas Bernhard hat seiner tragischen Familienkomödie „Ritter Dene Voss“ einen bemerkenswerten Satz vorangestellt: „Darunter haben wir immer gelitten/unter diesen hässlichen Bildern“. Dahinter steht nicht nur ein für den Autor typischer  Angriff auf seiner Meinung nach geringerwertige Kunst, sondern auch die Abrechnung mit der Vergangenheit. Im Esszimmer der Familie Worringer hängen übergroß und drohend die Gemälde der Eltern und signalisieren: Ihr könnt uns nicht entkommen. Dass die Bilder dann verzweifelt umgehängt werden, ändert nichts an ihrer Wirkung.

Peter Wittenberg lässt  seine Neuinszenierung gleich in einem Museum spielen, und das ist eine gelungene, ironische Pointe. Eine ebensolche: Die Bilder an der Wand zeigen die Porträts der drei großen Schauspieler, denen Bernhard sein Stück gewidmet hat – Gert Voss, Kirsten Dene und Ilse Ritter. Die Bilder werden hier am Ende einfach umgedreht – eine schöne Metapher, die auch den Klimaaktivisten gefallen könnte.

Fleischsoße

Die Handlung des Stücks ist schnell erzählt: Die Schwestern Worringer – Miteigentümer und gleichzeitig Schauspielerinnen am Theater an der Josefstadt (Lacher garantiert) – haben ihren Bruder, den Philosophen Ludwig, aus der psychiatrischen Klinik am Steinhof nach Hause geholt (und lange Unterhosen besorgt).

Bei Essen und Kaffee spielen sie einander ihr kleines Familiendrama vor: Alle drei sind einander in inzestuöser Hassliebe verbunden. Dieser Familienhölle zu entkommen, scheint ganz einfach, ist aber dennoch unmöglich, denn die Hölle ist längst Heimat geworden.

 

Josefstadt: Bilderkampf im Museum der Familienhölle

Sandra Cervik spielt „Dene“,  die ältere Schwester, die den Bruder mit ihrer Zuwendung terrorisiert und die am liebsten alle Konflikte unter Fleischsoße (keine Tomatensuppe!) begraben würde. Cervik spielt sehr zurückhaltend, aber man spürt die mühsam unterdrückte Aggression.

Maria Köstlinger gibt hinreißend die jüngere Schwester („Ritter“), welcher der innere Kampf zwischen dem Wunsch nach Ausbruch und der Angst vor diesem die langen Glieder verbiegt.

Brandteigkrapfen

Johannes Krisch bemüht sich nach Kräften, nicht zu sehr an Gert Voss zu erinnern, er zeigt den psychisch kranken Philosophen mit entgleisender Mimik, der sich beinahe selbst mit Brandteigkrapfen erstickt.

Die Inszenierung ist sehr genau, möglicherweise ein wenig zu genau, manchmal bleibt die Handlung fast stehen, es gibt Längen. Dennoch ist das ein spannender Theaterabend. Viel Applaus!

 

Josefstadt: Bilderkampf im Museum der Familienhölle

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