Jonathan und Mutter Meese: Wenn Mama nicht mehr mitspielen mag

Was macht eine gute Talkshow aus? Richtig: Interessante Gäste, spannende Themen, ein versierter Moderator und – im Idealfall – gute Quoten für den jeweiligen Sender. Doch „Mutterzsöhnchen im Kunstglück“ kann diese Punkte nur sehr bedingt erfüllen. Interessante Gäste: ja! Denn der Universalkünstler Jonathan Meese hat viel Spannendes zu sagen. Seine inzwischen 93-jährige Mutter kann aus einem bewegten Leben berichten. Der Moderator Henning Nass bleibt da eher Zaungast, denn Meese ist nicht moderierbar. Und die Quoten? Sie wären im Fernsehen schlecht ausgefallen, so schütter war das Wiener Volkstheater besucht. Etliche vorzeitige Abgänge inklusive.
Richard und Udo
Doch was war das Ziel dieser (vorerst) einmaligen Kunstaktion? Der stets interdisziplinär arbeitende Meese wollte mit seiner Mutter einfach ein Gespräch über das Leben, Kunst, Politik, eben über alles und nichts führen. Das begann auch ganz gut. Zuerst erklang Richard Wagner vom Band, also jener Komponist, an dem sich Meese seit Ewigkeiten künstlerisch abarbeitet. Zu Udo Jürgens’ Hit „Mit 66 Jahren“ ging der Vorhang auf. Brigitte Meese nahm in der Mitte in einem Fauteuil Platz und wurde von ihrem Sohn und Nass über ihr aufregendes Leben befragt.
Und Brigitte Meese, als einzige ohne Mikro, erzählte sehr berührend von ihrer Familie, dem Krieg, den Bomben, den Reisen nach Spanien, England, Frankreich, von ihrer Zeit in Japan (Meese wurde dort auch geboren) – all das garniert mit viel Weisheit und Ruhe.
Kunst und Kultur
Doch Jonathan Meese und Ruhe? Das geht sich nie aus. Trotz einer starken, hörbaren Verkühlung übernahm der Künstler immer mehr das Kommando, forderte die Abschaffung aller Parteien, das Ende aller Begrifflichkeiten wie links und rechts, die Diktatur der Kunst und referierte teils sehr witzig über sein Hadern mit offiziellen Kulturinstitutionen und dem Leben. Denn merke: Kultur ist nicht Kunst!
Immer mehr verschwand Brigitte Meese dabei im Hintergrund, immer ausführlicher und letztlich schon sehr redundant predigte Meese von der Bühnenkanzel aus, die mit einigen Requisiten und Kostümen aus seinen vergangenen Arbeiten garniert war. Über eine Leinwand flimmerten alte Fotos und Bilder von Meeses Kunstwerken. Auch eine ausufernde, heftige Suada gegen die Bayreuther Festspiele durfte nicht fehlen.
Das wurde Brigitte Meese allmählich zu viel. „Es reicht!“ meinte sie zu ihrem Filius nach mehr als zwei pausenlosen Stunden. Dafür erhielt sie Szenenapplaus. Der aber hörte nicht auf, worauf die Mutter meinte: „Ich gehe jetzt!“ Das Publikum war für dieses finale Machtwort ziemlich dankbar.
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