Johanna Moders "Mother's Baby": Mutterschaft als traumatische Erfahrung
Sieht so eine glückliche Familie aus? Hans Löw und Marie Leuenberger mit ihrem Wunschkind in Johanna Moders Baby-Blues-Thriller „Mother’s Baby“.
Wie sieht das perfekte Leben aus? So, wie das von Julia und Georg Koch. Die beiden sind glücklich verheiratet, haben tolle Karrieren und leben in einer atemberaubenden Designerwohnung.
Nur etwas fehlt: das Kind. Die beiden checken sich in eine Privatklinik ein, wo ihnen der fesche Herr Doktor das Wunschkind verspricht. Julia wird flugs schwanger. Alles verläuft komplikationsfrei – bis zur Geburt. Das Baby hat sich die Nabelschnur um den Hals gewickelt und wird nach der Entbindung weggebracht. Als man ihr später das Kind mit der Versicherung, alles sei „völlig normal“, in den Arm legt, bekommt Julia eine Panikattacke.
Mutterglück
„Mother’s Baby“ nennt die in Graz geborene Regisseurin Johanna Moder, zuletzt mit dem Gesellschaftsdrama „Waren einmal Revoluzzer“ im Kino, ihren sich leise anschleichenden Reproduktionskrimi. Das altbekannte Motiv von der Frau, „deren Hormone nach der Geburt durcheinandergeraten sind“, greift sie auf und verarbeitet sie zu einem elegant-kühlen Drama in Topbesetzung.
Anlass für ihren exzellenten Mystery-Thriller war die Geburt ihrer eigenen Tochter, „die für mich eine traumatische Erfahrung war“, erzählt Johanna Moder, zweifache Mutter, im KURIER-Gespräch: „Der Zustand der Mutterschaft war im Nachhinein ganz anders, als ich es erwartet habe. Ich hatte das Gefühl, dass ich verrückt werde. Und ich habe versucht, diesen Zustand filmisch zu übersetzen.“
Hinterfragt Mutterglück: Regisseurin Johanna Moder.
Tatsächlich unterscheiden sich Moders Erlebnisse von ihrer Filmerzählung, doch begann sie sich ausführlich damit zu beschäftigen, was in unserer Gesellschaft als Mutterglück und Mutterliebe definiert wird.
So quält sich die frischgebackene Mutter Julia – hervorragend gespielt von der deutsch-schweizerischen Schauspielerin Marie Leuenberger – mit dem Gefühl, ihr Kind nicht richtig lieben zu können: „In den meisten Fällen braucht es ein halbes Jahr, um ein Kind kennenzulernen und eine Beziehung aufzubauen“, sagt Johanna Moder: „Aber die Gesellschaft schreibt der Frau zu, dass sie umgehend Mutterglück empfinden muss. Und wenn sie es nicht so empfindet, hinterfragt sie sich selbst und glaubt, bei ihr ist etwas falsch.“
Aus dem herzigen Baby wird unter dem prüfenden Blick der Mutter ein seltsames Neugeborenes mit Alien-artigen Zügen: „Babys haben ja oft auch etwas Unheimliches, Außerirdisches“, findet die Regisseurin: „Das haben wir bedient. Man kann ja Babys auch ganz süß herzeigen. Aber unser Baby hat seltsam dreingeschaut und sehr gut das gespielt, was wir gebraucht haben.“
Je mehr Julia unter den Zweifeln an ihrer Mutterschaft leidet, um so mehr entfremdet sie sich von ihrem Mann. Für ihn ist klar: Seine Frau leidet an einer postnatalen Depression. Die heile Bobo-Welt mitsamt ihrer geschmackvollen Kinderausstattung beginnt sich zu verdüstern: „Es gibt eine ganze Industrie, die eine Sehnsucht nach einer schönen Welt erzeugt, die sich nicht einlöst.“
Und auch die Beziehung des Paares bekommt Risse; nicht umsonst gibt es Untersuchungen, „wonach Paare ohne Kinder glücklicher sind als Paare mit Kindern“.
Claes Bang als Kinderwunschdoktor und Marie Leuenberger in "Mother's Baby"
Themen wie Fehlgeburt, Frühgeburt oder Totgeburt, aber auch postnatale Depression grundieren die Handlung von „Mother’s Baby“, finden in unserer Gesellschaft aber oft nur sehr wenig Platz, so Moder: „Mein Gefühl ist, dass man bei der Geburt den Lebensanfang feiert und alles wunderschön sein soll. Wenn es dann nicht so ist, will man nicht so genau hinschauen.“
Unterdrückte Erfahrungen
Diese Erfahrung teilt die Regisseurin mit ihrem Publikum: „Nach dem Film kommen Leute zu mir und erzählen mir ihre Geschichte. Aber meistens halten sie sie vor der Gesellschaft versteckt. Es wäre schön, wenn man einfach normaler darüber reden könnte.“ Wie schwierig das oft immer noch ist, zeigte sich auch bei den Dreharbeiten: Gefilmt wurde unter anderem in Schönbrunn, am Cobenzl und im Musikverein, denn Julia ist von Beruf Dirigentin. Komplizierter schon war es, einen Drehort in der Schweiz zu finden. Dort sollten die Szenen in der Kinderwunschklinik inszeniert werden „doch Hunderte Drehorte, die wir angefragt haben, wurden abgelehnt. Der Film war ihnen zu dunkel.“
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