Geboren 1930 in Paris als zweites von vier Kindern einer extravagant wohlhabenden, protestantischen Familie, wuchs Godard am Genfer See auf. Später kehrte er – mit dunkel getönter Brille und Zigarette, später mit Zigarre, immer unverkennbar – in die französische Hauptstadt zurück und arbeitete als Filmkritiker, wo er für die legendäre Zeitschrift Les Cahiers du Cinéma schrieb. Im Umkreis des Kinophilosophen André Bazin, dem Herausgeber der Cahiers, traf Godard auf Gleichgesinnte wie François Truffaut, Eric Rohmer, Jacques Rivette und Claude Chabrol; auch ihre Namen sind bis heute untrennbar mit der Nouvelle Vague verknüpft.
Mit seinem Langfilmdebüt „Außer Atem“ von 1960, das als Flaggschiff der Nouvelle Vague gilt, legte Godard bravourös den Grundstein zu seiner Karriere.
Jean-Paul Belmondo als französischer Kleinkrimineller, der sich in eine amerikanische Studentin – Jean Seberg mit markantem Kurzhaarschnitt – verliebt, faszinierte und verstörte das Publikum gleichermaßen.
Godard huldigte in „Außer Atem“ seiner Liebe zum amerikanischen Gangsterfilm und Humphrey Bogart, während er mit Jump-Cuts und direkten Blicken der Schauspieler in die Kamera die goldenen Regeln von Hollywoods klassischem Erzählkino brach. Zudem aber sind die Filme von Jean-Luc Godard immer auch Filme über das Filmemachen selbst.
Seine Verehrung für die Regie-Veteranen Hollywoods zeigt sich unter anderem in der Besetzung von Fritz Lang in dem poetischen Meisterwerk „Die Verachtung“: Lang spielt sich selbst, einen Regisseur mit schwarzer Augenklappe; Nacktszenen mit Brigitte Bardot sorgten für ein „Jugendverbot“. Auch „Die Außenseiterbande“ (1964) mit Anna Karina – zu diesem Zeitpunkt noch mit Godard verheiratet – zählt zu den Klassikern eines von Pop-Kultur und US-Genrekino inspirierten Autorenfilms.
Mit dem Jahr der Studentenrevolution 1968 änderte sich Godards Stoßrichtung: Er drehte dem kommerziellen Kino den Rücken zu, machte radikal-politische Filme und gründete gemeinsam mit Regisseur Jean-Pierre Gorin das Filmkollektiv Group Ziga Vertov. Erst mit Arbeiten wie „Rette sich, wer kann (das Leben)“ (1980) näherte er sich wieder dem Erzählkino an. In seiner langen Karriere als selbst deklarierter Außenseiter drehte Godard an die 70 Spielfilme, Dokus, Kurz- und TV-Filme. Zu seinen ambitioniertesten Projekten gehört die achtteilige Videoarbeit „Histoire(s) du cinéma“ (1988-1998), ein Opus magnum über die Geschichte des Kinos und sein Verhältnis zum 20. Jahrhundert. Noch im Jahr 2018 meldete sich Jean-Luc Godard ein letztes Mal in Cannes mit seinem Filmessay „Bildbuch“ zurück: Es handelt sich um eine bittere Abrechnung mit der Geschichte der Menschheit und ihren immer wiederkehrenden Katastrophen – und wurde mit einer Spezial-Palme ausgezeichnet.
Nun ist Jean-Luc Godard mit 91 Jahren gestorben. Er hinterlässt seine Partnerin und enge Mitarbeiterin, die Schweizer Filmemacherin Anne-Marie Miéville.
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