Ist St. Margarethen tatsächlich besser als Bayreuth?

Ein Schreibtisch mit Aktenordnern, einem Stempel, einer Kaffeetasse und abgelehnten Dokumenten, über dem ein Paragraphenzeichen an einem Spinnenfaden hängt.
Die Wagner-Premiere im Burgenland wurde besser bewertet als jene am Grünen Hügel. Wie kann das sein?

Sehr geehrtes Kulturamt!

Sie haben, wie in einem Artikel der Tageszeitung KURIER mitgeteilt, zuletzt einen Betriebsausflug nach Bayreuth unternommen. Der Kulturamtsleiter hat in seiner Bewertung der „Meistersinger“ einen halben Stern weniger vergeben als für die Aufführung des „Fliegenden Holländer“ in St. Margarethen. Als Freund des Burgenlandes freue ich mich, dass der Steinbruch nun dokumentiertermaßen künstlerisch wertvoller ist als der Grüne Hügel, plädiere aber dennoch für die Abschaffung der Sternebewertung, weil sie gefährliche Konsequenzen haben kann. Es wäre schlimm, wenn die konservativen Wagnerianer bald nur noch ins Burgenland pilgern. Das schöne St. Margarethen darf nicht Bayreuth werden.

Mit freundlichen Grüßen, D. S.

Sehr geehrter D. S.,

vielen Dank für Ihr Schreiben, dessen Eingang wir hiermit bestätigen (Geschäftszahl 12/2025). Wir wissen es zu schätzen, dass Sie unsere Kundmachungen im kulturellen Bereich derart genau studieren. Auch Ihre Affinität zum Burgenland trifft in unseren Amtsräumlichkeiten auf Zustimmung.

Allerdings sehen wir uns gezwungen, Ihnen hoffentlich nicht allzu desillusionierend mitteilen zu müssen, dass St. Margarethen bei aller Wertschätzung des Bemühens selbstverständlich nicht besser als Bayreuth ist. Bayreuth war stets Innovationsort für theatralische Formen, ohne Bayreuth würde es das deutsche Regietheater nicht geben (Ihre Reaktion darauf können wir uns in etwa ausmalen). Daher stimmt es auch nicht, dass Bayreuth ein Hort des Konservativen ist. Dort gilt’s traditionellerweise der Kunst.

Wenn es diesfalls zweieinhalb Sterne für die „Meistersinger“-Premiere gab, ist das Ausdruck der Enttäuschung innerhalb der Festival-Champions-League. Die drei Sterne für St. Margarethen wiederum würdigen eine solide Aufführung in einem Fach, das nie jenes des Steinbruches werden kann. Open-Air bleibt eine eigene Kategorie, und St. Margarethen hat das riskante Abenteuer innerhalb dieses Kosmos gut bewältigt.

Sterne sind also stets eine Frage des Bezugspunktes. Wir halten sie für ein essenzielles Mittel der Bewertung, für eine Orientierungshilfe für das Publikum, auch für eine augenzwinkernde Spielart und müssen Ihren Antrag ablehnen.

Fürderhin wird sich diese Frage aber ohnehin nicht mehr stellen, weil St. Margarethen nie wieder Wagner spielen und daher die Bayreuth-Pilger gar nicht anlocken können wird. Konzidieren dürfen wir immerhin, dass Wein, Kulinarik und Beinfreiheit besser sind.

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