mumok-Chefin Hellberg bringt ein bisschen mehr Theater im Museum
In sechs „Akten“ soll ab 19. Juni die erste Ausstellung der seit 1. Oktober amtierenden Direktorin des mumok, Fatima Hellberg, vonstattengehen – u. a. mit einem Einbau der Bühnenbildnerin Anna Viebrock und einer Installation der Künstlerin Kate Millett, die die Neo-Chefin bereits für die Sammlung erwarb.
KURIER: Sie haben bei Ihrer Pressekonferenz drei Prioritäten dargelegt: Sie wollen Dialoge mit der Sammlung führen, Erfahrungsräume schaffen und neue Kunst ermöglichen. Wie gewichten Sie diese Themen?
Fatima Hellberg: Ich würde sagen, im Mittelpunkt steht schon der Aspekt, dass man einen Erfahrungsraum anbietet. Denn auch wenn man mit der Sammlung arbeitet und neue Werke produziert, stellt sich letztendlich immer die Frage, wie sich ein Besuch eigentlich anfühlt. Natürlich ist jede Ausstellung eine Art Kosmos. Aber die Besucherinnen bewegen sich ja durch ein Haus. Und wenn sie hinausgehen, möchte ich, dass dieser Besuch als Gesamterfahrung wahrgenommen wird.
Aber architektonisch ist das mumok nun mal ein Klotz. Das Thema der Durchlässigkeit wurde schon oft beackert. Wie wollen Sie diese Nuss knacken?
Langsam finde ich heraus, wie dieses Haus tickt. Viele Stararchitekten, die Museen bauen, möchten überall sehr präsent sein. Hier haben wir Räumlichkeiten, die sagen: Wir geben viel Raum, um zu gestalten. Ich bin neu genug, um den Blick von außen zu haben, und bin in einem Prozess, wo ich mir Schritt für Schritt alles anschaue. Wir haben etwa viele Fenster, die von innen verbaut sind und die wir öffnen können. Wir werden einen Ruheraum haben, wo nur ein Kunstwerk zu sehen ist. Als Besucherinnen und Besucher haben wir auch ganz banale Bedürfnisse. Und die muss man mitdenken.
Zur Erfahrung gehört auch der Außenraum. Ihr Vorvorgänger hat da – mit Erwin Wurms Haus am Dach und Projektionen an der Fassade – viele Signale gesetzt, Ihre Vorgängerin Karola Kraus etwas weniger. Wie gehen Sie die Sache an?
Da entwickeln wir gerade einen Plan, der aber noch Zeit braucht. Ich möchte nicht einen riesigen Umbau anfangen, sondern mit Künstlern arbeiten. Ich möchte ein Format finden, in dem es einerseits Respekt und Fingerspitzengefühl für dieses Haus gibt, das aber auch unsere Sichtbarkeit erhöht.
Im Netz lacht man derzeit über den „Grumpy Museum Guide“, einen Aufseher in einem Museum, der die Leute anherrscht. Haben Sie eine Wunschvorstellung, mit welcher Tonalität das mumok Besuchern und Besucherinnen begegnen soll?
Ich finde, es fängt immer von innen nach außen an. Was ich in meiner ersten Zeit im mumok gemacht habe – und was ich weiterführen möchte – war, nicht nur mit Abteilungsleitungen zu sprechen, sondern mit allen – mit Sicherheitspersonal etwa, oder mit den Menschen, die die Buchhaltung machen. Es gibt ja einen Grund, warum man die Buchhaltung in einem Museum und nicht in einer Bank macht. Es braucht eine bestimmte Haltung, denn wir gehen mit Strukturen um, die ungewöhnlich sind. Das bedeutet nicht, dass alle sich mit allen Inhalten beschäftigen müssen. Aber es ist wichtig, dass es Wissenstransfer und eine Kultur gibt, wo man sagt, wir sind für die Ausstellungen, für die Künstlerinnen und für unsere Zuschauer da.
Das klingt nach flachen Hierarchien. Zugleich haben Sie Lukas Flygare als neuen Vizedirektor und Chefkurator bestellt und eine neue Leitungsfunktion geschaffen.
Die bisherige Aufteilung auf eine stellvertretende Direktorin und eine Chefkuratorin war immer zeitbegrenzt und an Karola Kraus’ Funktionsperiode gebunden. Ich habe die erste Zeit genutzt, um zu verstehen, was die Vor- und Nachteile dieser Konstellation sind. Es gibt Kuratorinnen und Kuratoren, die großartige Kunsthistorikerinnen sind. Wie man eine Ausstellung als Handwerk realisiert, hat aber auch sehr viel mit pragmatischen Fragen zu tun. Und ich wollte jemanden involvieren, der auf einer ganzheitlichen Ebene denkt, ein Gefühl für Produktion und für Budgetierung hat und sehr hands-on orientiert ist.
Was mir in Ihrer Pressekonferenz auffiel, waren die vielen Analogien zum Theater: Sie sprechen von Akten, Dramaturgien und engagieren eine Bühnenbildnerin. Worin wurzelt das?
Es gibt bei mir ein Interesse an Ideen, die man immer neu behandeln kann. Tragödien gab es schon 2000 vor Christus, eine Form von Performativität hat man auch in der Religion. Es ist ein menschliches Bedürfnis, zu sagen: Hier ist unsere Realität, und jetzt schaffen wir gemeinsam diese andere Realität. Und während dieser Zeit kann man ein komplettes Register von Emotionen spüren. Diese Form, finde ich, ist in der bildenden Kunst nicht immer genug wahrgenommen worden. Ich sehe es als Potenzial eines Museums, zu sagen: Wir sind mit dieser Welt draußen verbunden, aber wir haben auch die Möglichkeit, einen Kosmos zu schaffen. Da ist das Theater ein Referenzpunkt für mich.
Werden Sie als Direktorin oft selbst inszenieren – oder wollen Sie eher anderen die Bühne überlassen?
Ich habe bei der ersten Ausstellung eine starke Handschrift und Präsenz. Das halte ich auch für wichtig. Aber die besten Ideen entstehen meiner Erfahrung nach in Dialogen. Am Anfang habe ich gedacht, wir werden immer mit übergreifenden Themen arbeiten. Viel interessanter ist aber, dass man zu einem Punkt kommt, wo man merkt, dass die Gruppe von Kuratoren neue Ideen gemeinsam entwickelt – und das fängt jetzt langsam an. Ich freue mich darauf.
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