Interview mit Regisseur Patrick Vollrath: Terroristen im Cockpit
Kein Film für Menschen mit Flugangst. Zwei Piloten machen ihren Flug von Berlin nach Paris startklar. Sie begrüßen die Gäste an Bord und heben planmäßig ab. Sekunden später stürmen islamistische Terroristen das Cockpit – und dann bricht die Hölle los.
7500
Patrick Vollrath, deutscher Regisseur und Wahlwiener seit 2008, erweist sich einmal mehr als Spannungstalent. Mit seinem Kurzfilm „Alles wird gut“ landete er eine Oscarnominierung, seitdem hebt auch seine Karriere ab. Sein neuer Thriller „7500“ (Kinostart: Freitag) spielt ausschließlich im Cockpit eines Flugzeugs, wo der Pilot schwierige Entscheidungen treffen muss. Für diese Rolle konnte Vollrath US-Schauspieler Joseph Gordon-Levitt („Snowden“) gewinnen.
KURIER: Herr Vollrath, haben Sie manchmal Flugangst?
Patrick Vollrath: Nein.
Das merkt man.
(Lacht). Mein Kameramann und ich sind im Vorfeld zu den Dreharbeiten im Cockpit mitgeflogen, um zu schauen, wie die Abläufe funktionieren. Seitdem habe ich noch weniger Flugangst. Die Piloten sind so routiniert und cool, gerade, wenn es wackelt und man selbst nervös wird.
Der Filmtitel „7500“ ist ein Code in der Luftfahrt?
Genau. Das ist kein Geheimnis und steht auch auf Wikipedia. Es gibt drei Notfallcodes: 7500, 7600 und 7700. 7500 steht für Flugzeugentführung. Ich bin auf den Titel gekommen, weil ich in der Zeitung las, dass am Wiener Flughafen ein Alarm ausgelöst wurde, weil ein Pilot einen falschen Code eingegeben hatte. In dem Zusammenhang wurden dann diese Codes breit erklärt und haben mich zu dem Titel inspiriert.
Warum beschränken Sie sich auf die Vorgänge im Cockpit und zeigen beispielsweise nicht die Passagiere?
Ich wollte nicht in erster Linie einen Flugzeugentführungsfilm machen, sondern ich wollte die emotionale Reise mit den beiden Hauptfiguren – der Co-Pilot und der junge Terrorist – antreten. Der Fokus liegt auf den emotionalen und moralischen Entscheidungen, die im Cockpit getroffen werden, etwa: Mach’ ich die Tür auf oder nicht. Dieser innere Konflikt, diese Zerrissenheit hat mich interessiert.
Islamistische Terroristen stürmen mit einem „Allahu Akbar“-Schrei ins Cockpit, um sich an der westlichen Welt zu rächen. Hatten Sie keine Sorge, dass Sie da sehr nahe an einem überstrapazierten Klischee dran sind?
Natürlich hatte ich diese Sorge. Ich habe 2015 angefangen zu schreiben und da war das ein sehr aktuelles Thema. Mich hat vor allem sehr beschäftigt, dass gerade Kinder und Jugendliche, fast aus einer Art jugendlichen Rebellion heraus, Attentate ausführen. Ich habe mich damals sehr stark mit den Terroranschlägen, die zu dieser Zeit stattfanden, auseinander gesetzt. Die Reden, die die Terroristen halten, sind Ausschnitte daraus, was damals bei dem Attentat auf den Club Bataclan in Paris gerufen wurde. Ich wollte einfach eine Situation zeigen, die ungefähr so ablaufen könnte.
Ihr Film sieht auch ein bisschen wie eine Visitenkarte für Hollywood aus, die Produzenten signalisiert: Ich wäre für den nächsten Blockbuster bereit.
(Lacht.) Man sollte, glaub’ ich, nie Filme machen, um irgendwo hin zu kommen. Man sollte einfach den best möglichen Film machen. Aber wenn das jemand so sieht, ist das eine tolle Auszeichnung. Und nachdem der Film an Amazon verkauft wurde, bekommt er einen amerikanischen Stempel. Aber ich war einfach wahnsinnig glücklich, dass ich diesen Film als Erstlingsregisseur so machen konnte. Mit einem großen Schauspieler an nur einem Ort und mit einem gar nicht so kleinen Budget. Es öffnen sich gerade Optionen, und das finde ich wahnsinnig toll.
Könnten Sie sich vorstellen, eine Hollywoodkarriere anzutreten wie vor Ihnen deutsche Regisseure wie Wolfgang Petersen oder Roland Emmerich?
Wenn wir jemand ein tolles Angebot macht, werde ich sicher intensiv darüber nachdenken. Aber es bringt nichts, nur einen 200-Millionen-Dollar-Film zu machen, um ihn gemacht zu haben. Damit kann man auch wahnsinnig auf die Fresse fallen. Man hat zwar etwas geschafft, kann aber diesen Status auch ganz schnell wieder verlieren, wenn man Kassengift ist.
Sie haben in Wien bei Michael Haneke studiert. Was haben Sie von ihm gelernt?
Es war sicherlich sehr hilfreich, auf Hanekes Präzision und Glaubwürdigkeit geschult zu werden. Glaubwürdigkeit – emotional, aber auch von den Abläufen her – ist für mich eine Grundlage für alles. Präzision ist immer das, wo man versucht, ganz genau hinzuschauen und Dinge zu erzählen, die nicht dem Klischee entsprechen. Das sind zwei Sachen, die Haneke predigt. Was alle Haneke-Schüler ebenfalls sehr stark übernehmen, ist auch das Casting. Casting ist neben dem Drehbuch das Wichtigste: Man muss nicht nur einen guten, sondern den richtigen Schauspieler für die Rolle finden.
Nach Ihrem Studium sind Sie in Wien geblieben?
Ja, ich bin seit 2008 hier, nie weggezogen und habe es auch nicht vor, weil ich mich in die Stadt verguckt habe. Natürlich bin ich Deutscher, aber Wien ist meine Stadt geworden.
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