Interview mit Julie Bertuccelli: Gelebte Erinnerungen sammeln

Catherine Deneuve denkt ans Sterben in "Der Flohmarkt der Madame Claire".
Julie Bertuccelli über ihre Tragikomödie „Der Flohmarkt von Madame Claire“ mit Catherine Deneuve.

Ein herrschaftliche Villa in der französischen Provinz ist Schauplatz eines Abschieds: Von lieb gewonnenen Dingen, die kostbare Erinnerungen bergen, von den Menschen, die sie benutzt haben und schließlich von einem langen, über weite Strecken erfüllten Frauenleben.

Die französische Regisseurin Julie Bertuccelli, erfolgreiche Dokumentaristin, zeigt in ihrem dritten Spielfilm „Der Flohmarkt von Madame Claire“, wie schwer es ist, sich von Herzensdingen zu trennen.

Für Madame Claire, die ältere Dame, die fühlt, dass ihr Leben sich dem Ende zuneigt und die Tabula Rasa machen will, hat Bertuccelli die Idealbesetzung gefunden. Die 75-jährige Catherine Deneuve zeigt noch einmal, was in ihr steckt: alle Emotionen von allürenhaft über melancholisch bis streitbar. Fast wie im richtigen Leben.

Flohmarkt von Mamade Claire

KURIER: Hatten Sie die Deneuve schon im Kopf, als Sie das Drehbuch nach dem Roman der Amerikanerin Lynda Rutledge schrieben?

Julie Bertuccelli: : Nun, ich habe die Rolle nicht speziell für sie geschrieben, aber natürlich war sie meine Favoritin. Ich hatte Angst, sie würde ablehnen – sie ist ja immer noch ein großer Star und bekannt wählerisch. Aber sie passt so perfekt in die Rolle der Patronne eines großen Hauses – sie ist so flamboyant, so kultiviert, an schönen Dingen interessiert. Und sie hat noch immer diese Klasse, diese Schönheit. Der Film ist – auch mit den Rückblenden auf alte Filme – meine persönliche Reminiszenz an sie.

Chiara Mastroianni ist im Film wie auch im echten Leben Deneuves Tochter. Wollten Sie das oder war es Deneuves Wunsch?

Es war meine Entscheidung, weil sie schlicht eine gute Schauspielerin ist. Aber Catherine hat das natürlich gefallen. Sie haben es wunderbar hingekriegt, ein über viele Jahre zerstrittenes Mutter-Tochter-Gespann darzustellen. In Wirklichkeit sind die beiden ja die personifizierte Harmonie. Zwischen ihnen herrscht so eine unglaubliche organische Nähe, die allem standhält. Diese Seelenverwandtschaft hat dem Film gut getan.

Es geht ums Sammeln, um das, was sich im Lauf eines Lebens ansammelt und aufstaut. Man hat den Eindruck, das ist etwas, das Sie aus eigener Erfahrung gut kennen.

Definitiv. Wirklich, merkt man das? Ich komme aus einer Familie von Sammlern und kann einfach nichts wegwerfen. Jedes Objekt hat für mich eine Bedeutung, und ich empfinde Nostalgie, Trauer oder Freude, wenn ich es sehe. Meine Sachen, die ich über die Jahre gesammelt habe, sind ein Teil von mir. Sammeln ist gelebte Erinnerung. Viele Dinge, die in Madame Claires Haus zu sehen sind, sind auch von mir.

Auch die Elefantenuhr?

Nein, die nicht. Aber die ist toll, oder?

Sie müssen eine große Wohnung haben.

Oh, das ist kein gutes Thema. Meine Familie verflucht mich für meine Sammlerwut. Aber ich kann nicht anders: Die Angst, dass es Sachen, die ich sammle, bald nicht mehr geben könnte, treibt mich und meine Sinnesgenossen an. Man muss etwas haben, solange es zu haben ist. Klar wird alles einmal zu viel und man muss wieder loslassen. Aber zu viel weggeben ist auch nicht gut.

Ist es schwer, so ein Projekt wie diesen kleinen Arthouse-Film zu finanzieren?

Ja, sehr schwierig. Komödien sind in Frankreich leicht zu finanzieren, aber Arthouse nicht, da braucht man einen langen Atem und klingende Namen, um Geld aufzustellen. Ich hatte wegen meines engen Budgets nur eine begrenzte Zahl an Drehtagen, was das Ganze recht mühsam machte. Sie sehen also, ich sammle nicht nur viele Dinge, sondern auch wichtige, manchmal ernüchternde Erfahrungen.

Interview mit Julie Bertuccelli: Gelebte Erinnerungen sammeln

Regisseurin Julie Bertuccelli ist leidenschaftliche Sammlerin

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