Yuri ist Benni sehr ähnlich, dem jungen, widerspenstigen Mädchen, das ich in „Systemsprenger“ gespielt habe. Sie ist eine junge Person, die sehr verletzt ist und schon sehr viel erlebt hat. Sie sträubt sich gegen das System der Familie und dagegen, dass ihr Vater die Ochis jagen möchte. Sie ist sehr misstrauisch und glaubt nicht automatisch alles, was man ihr sagt. Ich würde sie auch als rebellisch beschreiben: Sie ist jemand, die auf ein Abenteuer geht, auch wenn sie keine Ahnung hat, was sie erwartet. Sie freundet sich mit einem Tier an, dessen Sprache sie nicht spricht und das ihr als böse verkauft wird. Und ich glaube, sie ist sehr mutig und auch sehr eigensinnig, fast schon ein bisschen stur, weil sie sehr entschlossen gegen den Willen ihres Vaters vorgeht: Sie setzt sich gegen ihn durch und geht mit dem Ochi-Baby, das sie findet, auf die Reise. Sie ist sehr stark und in sich ruhend. Ich würde schon sagen, dass ich persönlich anders bin als Yuri. Sie ist ein Mensch, der sehr viele Emotionen in sich hineinfrisst. Ich habe zwar auch eine sehr enge Beziehung zu meinen Tieren und da gibt es schon viel Ähnlichkeit. Aber ich glaube, dass ich als Person eher jemand bin, der kommuniziert und Dinge klären möchte als alles in sich hineinzufressen. Diesen Mut und das Selbstbewusstsein, das es braucht, um eigene Entscheidungen zu treffen, habe ich auf jeden Fall auch.
Du musstest gar kein Casting für die Rolle machen, sondern wurdest direkt angesprochen. Stimmt das?
Ja, wenn man viel in Amerika arbeitet, ist das gar nicht so selten. Ich habe mit dem Regisseur Isaiah Saxon gezoomt und wir sind ein paar Szenen durchgegangen. Danach war schnell klar, dass das mega-gut funktioniert und wir auf einer Wellenlänge sind.
Es ist Isaiah Saxons Debütfilm. Wenn man mit jemanden zusammenarbeitet, der selbst auch gerade am Anfang steht und noch kein Routinier ist, hat man da vielleicht auch mehr Möglichkeiten, sich einzubringen?
Ja, voll. Ich glaube, es war ein extremes Geben und Nehmen, was den Film anging und ich glaube, dass wir voneinander viel gelernt haben. Ein großer Punkt war das Verständnis und die Empathie füreinander. Es war ein sehr großes Ensemble mit einigen sehr bekannten Schauspielern, dazu die Ochis und das riesige Filmstudio A24 – für einen Debütfilm ist es natürlich ein Wahnsinn, das alles auf die Beine zu stellen. Ich glaube, wir haben beide für unsere Arbeit viel davon profitiert, dass wir uns so gut verstanden haben; dass ich wusste, Dinge werden längere Zeit brauchen. Beim Dreh einer Szene mit dem Ochi fummeln zuerst einmal acht Leute an dem Tier herum, dann muss ich noch alles richtig machen, dann kommen viele Kameraeinstellungen dazu, viele verschiedene Schauspieler … Ich glaube, dass es ein richtig schönes Miteinander war und wir richtig viel voneinander lernen konnten.
Wie ist es, mit einer leblosen Puppe zu spielen?
Ich hatte das große Glück, das ich tatsächlich einen Ochi als Anspielpartnerhatte und nicht mit CGI (Computer-generierten Spezialeffekten, Anm.) arbeiten musste. Es war ganz toll, weil das Ensemble rund um den Ochi – vom Puppenspieler bis zum Tonmann – dafür gesorgt hat, dass der Ochi lebendig aussah und ich nicht das Gefühl hatte, dass ich mit einer Puppe spiele. Deswegen war das Zusammenspiel auch gar nicht so schwer, wie man sich das vorstellt.
Der Ochi gibt seltsame Gesangsgeräusche von sich, mit denen er mit Yuri kommuniziert. Ihr „singt“ quasi im Duett. War das schwierig zu spielen?
Ich sag’s nur ungern, aber die Geräusche stammen gar nicht von mir (lacht). Es war eine längere Reise, zu überlegen, wie ein Ochi klingt und wie sich seine Sprache zusammenfügen kann. Es gab viele Überlegungen dazu, wie meine Mundbewegungen zu dem Sound aussehen sollen. Der „Gesang“ der Ochis ist sehr interessant, fast schon ein bisschen poetisch-spirituell.
Bei den Dreharbeiten zu „Neues aus der Welt“ hast du dich eng mit deinem Spielpartner Tom Hanks befreundet. Wie war es diesmal mit deinem „Vater“ Willem Dafoe?
Ja, ich bin mit allen noch sehr gut befreundet und spreche auch heute noch mit Willem (Dafoe), ebenso wie mit meinem Kollegen Finn (Wolfhard) und Emily (Watson), die meine Mutter spielt. Ich bin ein großer Fan von tiefen Verbindungen. Es ist oft so, dass ich auf Filmsets langjährige Freundschaften knüpfe. Unsere Branche ist sehr sprunghaft. Plötzlich verbringst du vier Monate mit den gleichen Leuten an einem Ort und dann siehst du sie plötzlich „nie wieder“. Das ist gar nicht so einfach und man muss sich erst daran gewöhnen, dass es so sprunghaft ist. Umso schöner ist es natürlich, wenn man zusammen mit Leuten Verbindungen aufbaut und wirklich lange in Kontakt bleibt. Es geht dabei ja nicht um jeden Tag, denn das ist bei so vielen Leuten, die man kennenlernt schwierig. Aber es ist schön, wenn man einfach immer wieder mal eincheckt und nachfragt, wie es dem anderen geht und was er macht.
Du lebst in Berlin, oder?
Ja. Ich bin natürlich viel unterwegs, aber mein Wohnsitz ist in Berlin.
Kannst du dir vorstellen, in die USA übersiedeln?
Ich würde es nicht ausschließen. Ich glaube, ich werde immer ein Standbein in Berlin haben, weil es einfach meine Heimat ist. Aber ich würde trotzdem nicht ausschließen, dass ich einen Wohnort entweder in Amerika oder auch in einem anderen Land habe.
Deine Mutter begleitet dich zu den Dreharbeiten?
Ab 16 kann man allein reisen, das heißt sie muss nicht immer mitkommen, aber sie kommt immer wieder mit. Zu Pressetouren kommt sie mit, weil sie auch den Großteil meines Managements macht. Bei den Filmseits kommt es darauf an, wo es ist und für wie lange. Es ist natürlich auch langweilig für sie, vier Wochen in einem Land zu verbringen, wo sie nichts zu tun hat. Auf der anderen Seite: Wer sag nein zu acht Wochen Hollywood? (lacht) Es kommt sehr darauf an, wo es ist.
Stimmt es, dass du gerne reitest und auch eigene Pferde hast?
Ja, ich habe seitdem ich sechs bin, mehrere Islandpferde. Ich reite viele Turniere und ich habe auch schon mein erstes, eigenes Fohlen gezüchtet. Ich bin schon seit vielen, vielen Jahren sehr aktiv im Pferdesport.
Ist das so etwas wie dein zweites berufliches Standbein?
Total. Es ist für mich wie eine zweite Branche. Der Ausgleich zu all dem Glamour, Ruhm und Rausch sind für mich die Pferde und die Pferdescheiße (lacht).
Was steht bei dir beruflich als nächstes an?
Ich darf noch nicht so viel sagen, aber ich kann verraten, dass neben internationalen Projekten auch deutsche Projekte auf dem Plan stehen. Ich hab angefangen, an meinem ersten eigenen Projekt zu schreiben. Und natürlich freue ich mich total, dass jetzt endlich „Die Legende von Ochi“ anstartet. Ab Sommer fange ich wieder an zu drehen. Im Oktober letzten Jahres habe ich auf Gran Canaria „Bloody Tennis“ gedreht – einen Horror-Sport-Film, der im Herbst in die Kinos kommt.
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