Interview zu "Die Schattenjäger": Jagd auf einen syrischen Folterer
Auf der Suche nach Vergeltung: Adam Bessa und Julia Franz Richter in dem exzellenten Agententhriller „Die Schattenjäger“.
Ein Mann wurde gefoltert. Die Narben auf seinem Rücken legen Zeugnis davon ab, was er im syrischen Militärgefängnis Saidnaya erlitten hat. Er hat seinen Folterer nie gesehen. Trotzdem glaubt er, ihn jetzt im Exil in Strasbourg erkannt zu haben – an seinem Gang, seinen Schritten, seinem Geruch.
„Die Schattenjäger“ (derzeit im Kino) nennt der französische Regisseur Jonathan Millet seinen superben Thriller über Gerechtigkeit, Rache und Selbstjustiz. Ähnlich wie bei den Nazi-Jägern in Tarantinos „Inglourious Basterds“ erzählt er von einem geheimen Netzwerk syrischer Emigranten in Europa: Sie spüren ehemalige Assad-Unterstützer und Folterer auf, die in Europa unter falschem Namen untergetaucht sind. Anders als Tarantino aber inszeniert Millet keine spektakulären Gewaltszenen, sondern ließ sich von Thrillern wie „The Conversation“ oder dem DDR-Drama „Das Leben der Anderen“ inspirieren.
Der Syrer Hamid – gespielt von dem exzellenten tunesisch-französischen Schauspieler Adam Bessa – lebt in Strasbourg. Dort ist er einem Mann namens Harfez auf der Spur, in dem er seinen Folterer aus dem Gefängnis wiederzuerkennen glaubt. Harfez hat sich an der Universität inskribiert und studiert Chemie. Hamid beobachtet ihn auf seinen Wegen durch die Lehrsäle und die Bibliothek und versucht, seine Identität zu verifizieren. Seine Kontaktperson zur Geheimorganisation ist eine Frau namens Nina – trotz kleiner Rolle einprägsam intensiv verkörpert von der hervorragenden österreichischen Schauspielerin Julia Franz Richter.
Regisseur Jonathan Millet (2. von li.): "Die Schattenjäger"
Geheimorganisation
„Die Schattenjäger“ ist das packenden Spielfilmdebüt des Franzosen Jonathan Millet: „Ich komme vom Dokumentarfilm und habe viel zum Thema Flucht, Exil und Trauma – vor allem mit Betroffenen des syrischen Bürgerkrieges – gearbeitet“, erzählt der 39-jährige Regisseur im KURIER-Gespräch.
Wie lässt sich im Kino am besten über Folter, Vertreibung und ein neues, traumatisiertes Leben im Exil erzählen, fragte sich Millet. Dann erfuhr er von geheimen Netzwerken, den sogenannten „Evidence Hunters“, wie er sie nennt: Sie wurden aktiv, nachdem der syrische Diktator Baschar al-Assad Vorfälle von Folter öffentlich abgestritten hatte, und bemühten sich darum, Kriegsverbrechen zu dokumentieren und untergetauchte Täter aufzuspüren. Auf diese Weise fügten sich für Millet plötzlich Trauma- und Thriller-Plot zu „Die Schattenjäger“ zusammen: „Ich wollte eine Geschichte über einen Emigranten abseits der üblichen Flüchtlingsdramen erzählen. Hamid hat nicht ,nur‘ ein Flüchtlingsschicksal: Er ist von Beruf Literaturprofessor, liebt Musik, geht in Bibliotheken. Mir geht es darum, namenlosen Flüchtlingen einen Namen, eine Geschichte und ihre Beweggründe zu geben, mit denen man sich als Publikum identifizieren kann.“
Gemeinsam mit seinem Hauptdarsteller erarbeitete er die Figur des Hamid. Viel wurde über Gesten gesprochen: Wie geht jemand, der gefoltert wurde? Wie hält er ein Glas?
Verfolt seinen Folterer: Adam Bessa in "Die Schattenjäger".
Zu einem der spannendsten Momente von „Die Schattenjäger“ zählt die Begegnung zwischen dem Opfer und dem mutmaßlichen Täter – mittlerweile ein nettaussehender Chemiestudent („Ich wollte ihn nicht als Bösewicht mit schwarzem Bart darstellen.“)
Rache üben will übrigens nicht nur Hamid, sondern auch seine Kontaktfrau Nina, deren Schicksal ebenfalls auf wahren Tatsachen beruht. Wie er ausgerechnet auf Julia Franz Richter gestoßen ist?
Eigentlich wollte er eine Deutsche besetzen, erzählt Jonathan Millet und lacht: „Es haben 59 deutsche Schauspielerinnen vorgesprochen und eine Österreicherin. Sie war die Beste.“
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