Zwei Stücke
Van Hove mischte zu diesem Zweck zwei Stücke Fleißers im großen Textwurstkessel zusammen: „Fegefeuer in Ingolstadt“ und „Pioniere in Ingolstadt“. Im Mittelpunkt des einen stehen zwei Außenseiter, die schwangere Klosterschülerin Olga und der missgestaltete Roelle, ein religiöser Spinner, der sich zum Märtyrer berufen fühlt und gleichzeitig Olgas Liebe erzwingen will. Im zweiten Stück fällt eine Gruppe Soldaten über die Stadt her, um eine Brücke zu bauen – und hinterlässt ein emotionales Schlachtfeld.
Dieses Regiekonzept, zwei Stücke, verbunden durch den Schauplatz, Fleißers Heimatstadt Ingolstadt, gleichzeitig zu erzählen, ist spannend, aber nicht unproblematisch. Immer wieder stehen die Handlungen und die Personen einander im Weg, manchmal ist es schwierig, zu verstehen, in welcher Geschichte man sich gerade befindet.
Im Wasser
Gespielt wird auf einer mit Wasser bedeckten und von drohenden Wachtürmen überragten Einheitsbühne (Jan Versweyveld): Die Welt als kleinbürgerliches katholisches Gefangenenlager. Das Wasser hat hier eine doppelte Bedeutung: Einerseits ist es Bedrohung, hier wird gefoltert und vergewaltigt und ein Mensch kommt zu Tode. Andererseits steht es für das Motiv der Reinigung und der Taufe.
Alles durchaus schlüssig, aber das ständige Planschen wirkt auf Dauer ein wenig anstrengend – man hofft, die bald klatschnassen Schauspieler werden sich nicht erkälten.
Unheimliche Figuren
Gespielt wird, wie immer am Burgtheater, ausgezeichnet. Marie-Luise Stockinger kämpft als Olga sehr berührend um ihre Würde. Jan Bülow ist als Kropfträger mit Engelsvisionen und sadistischen Anwandlungen eine unheimliche Figur.
Lilith Häßle (als Berta, die ausgerechnet bei den Soldaten die wahre Liebe sucht) und Dagna Litzenberger Vinet (die sich als selbstbestimmte Geschäftsfrau der Prostitution sehen will) beeindrucken in der Darstellung ihres grausamen Scheiterns.
Maximilian Pulst ist sehr stark als emotional verkrüppelter Soldat Korl. Und Oliver Nägele ist als Feldwebel und in anderen Rollen ein herrlicher Ungustl.
In etwa zwei Stunden und 15 Minuten wird hier eine Gesellschaft gezeichnet, in der männliche Gewalt dominiert und in der Außenseiter und Frauen keine Chance haben. Am Ende singen alle „Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel / weil wir so brav sind“.
Experiment
Zum Schluss gibt es freundlichen Applaus für ein hoch interessantes, nicht immer schlüssiges Experiment. Eine weitere Beschäftigung mit der geheimnisvollen, von Horváth (die merkwürdig verbogene Sprache!) und Büchner beeinflussten Welt Fleißers erscheint lohnenswert.
Kommentare