Man sollte buchstäblich zu ihnen aufschauen – zu den Lustern aus fein geschliffenem Glas, aber auch zu den Pokalen, Spiegeln, Trinkservicen: Als das „k. k. Österreichische Museum für Kunst und Industrie“, die Vorgängerinstitution des heutigen MAK, 1863 gegründet wurde, stand dahinter die Idee, Beispiele für das beste Kunsthandwerk jeder Sparte zu versammeln. Handwerker, Gestalter und nicht zuletzt wohlhabende Bürger als potenzielle Kundschaft sollten hier sehen, was guter Geschmack ist.
Formuliert hatte die Idee der Kunsthistoriker Rudolf von Eitelberger. Einer seiner wichtigsten Mitstreiter war Ludwig Lobmeyr, dessen Vater Joseph das nach ihm benannte Glaswaren-Unternehmen 1823 gegründet hatte – zuerst als Geschäft, bald aber auch als Manufaktur zur Ausführung eigener Entwürfe.
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Glanz und Substanz
Es ist also nur logisch, dass im Zuge der Feierlichkeiten zum 200-jährigen Bestehen der Firma auch das Museum für Angewandte Kunst seinen Beitrag leistet. Der Titel der Schau – „Glanz und Glamour“ – führt dabei ein wenig in die Irre: Assoziiert man doch mit den Begriffen eher den oberflächlichen Glanz, der auf Schau- und Stauneffekte ausgelegt ist.
Beim Museum – und auch in der Firmenphilosophie des mittlerweile in sechster Generation geführten Familienbetriebs – steht aber viel mehr die Frage nach der Substanz im Mittelpunkt. Ist es möglich, so eine „gute Form“ zu erschaffen, an der Moden und Repräsentationsbedürfnisse mittelfristig abperlen – und die sich als Zeugnisse guten Geschmacks bewähren?
Die MAK-Schau selbst scheint, was Architektur und Aufbau betrifft, ein bisschen wie in einem übergroßen Anzug in der Ausstellungshalle zu schwimmen. Die Exponate aber „sitzen“ und lösen das Versprechen der Zeitlosigkeit allesamt ein: Das von Adolf Loos gestaltete Trinkservice Nr. 248 mit den in den Boden geschliffenen Raster ist da, ein Klassiker (1931); ebenso das von Hans Harald Rath 1956 entworfene Trinkservice „Alpha“ aus dünnem Musselinglas. Fast noch mehr aber beeindruckt die Dichte und Qualität von Kooperationen jüngeren Datums – etwa die schlicht-schöne Überarbeitung eines typischen Heurigen-Achtels von Miki Martinek (Staatspreis für Design 2007) oder die von Künstlerin Nives Widauer gestaltete Serie „Pokale der Menschlichkeit“ (2023).
Sieben Pokale der Menschlichkeit
Entwurf: Nives Widauer, 2023
Ausführung: J. & L. Lobmeyr
In der Realität wird freilich niemand zu einem besseren Menschen, weil er oder sie aus einem schönen Glas trinkt. Angesichts der in der Schau versammelten „guten Dinge“ (es gibt sie noch!) blitzt aber doch da und dort Hoffnung auf: Vielleicht wirkt sich „Geschmacksintelligenz“ (ein Begriff des mit dem MAK ebenfalls verbundenen Philosophen Herbert Lachmayer) ein klitzekleines bisschen auf die generelle Intelligenz aus? Könnte der sorgsame Umgang mit den – in großer Sorgfalt hergestellten – Dingen nicht auch ein kleines bisschen Sorgfalt im Umgang mit der Welt lehren? Es sind, zweifellos, zu hohe Ansprüche für eine Glas-Ausstellung. Aber ja, man kommt ein wenig ins Schwärmen.
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