Natürlich kann man nicht, wie einst, romantisch glotzen: Statt einer „pittoresk-gigantischen Felsengegend“ hat Bühnenbildnerin Franziska Bornkamm eine Collage aus Fotos mit Wolken zum formatfüllenden Prospekt aufgeblasen. Denn im Schloss des Herrn von Lips geht es himmlisch zu.
Man frönt einem Luxusleben, und die insgesamt fünf Diener, alle mit Nestroy-Perücken, servieren devot, raschen Schritts und ohne Unterlass Aperols. Auch die herzensgute Kathi, die bloß Schulden zurückzahlen will, wird von der Hautevolee – man pflegt ein absurdes Herumstolzieren mit exaltierten Kraulbewegungen – wie eine billige Arbeitskraft angeherrscht. Was nicht verwundert. Denn Luisa Schwab ist als Kellnerin verkleidet.
Die Erklärung folgt erst im zweiten Akt: Krautkopf hat keine Landwirtschaft gepachtet (wie im Original), sondern ein Wirtshaus. Von der Weite zoomt Bornkamm mit einer Drehbewegung in eine konkrete Enge an der Rampe. Hier treten sich alle gegenseitig auf die Zehen.
Brachial-Slapstick
Arnold strich einen der drei g’schissenen Freunde des Herrn von Lips und ersetzte Text durch Brachial-Slapstick. Das Geländer, das der Schlosser Gluthammer (Sebastian Schindegger) zu montieren hat, ist daher eine fast unendlich lange Stange.
Auch der Holzhammer kommt zum Einsatz: Kathi wiederholt mehrfach, wie viel sie schuften musste. Sie erkundigt sich bei den Musikern (Jan Samson Krizanic, Clemens Rynkowski) auf dem verschiebbaren Podest, was sie denn beim Herrn von Lips verdienen. Wenn sich jemand direkt ans Publikum wendet, folgt sogleich die Frage aus dem Ensemble: „Mit wem redst du denn da?“ Das Spiel mit der vierten Wand als V-Effekt wird gar zum Running Gag. Und die Couplets – die Grazerin Ulrike Haidacher übt sich im Reichen-Bashing – erinnern an Brecht-Weill-Songs.
Der Herr von Lips trägt daher, wenig subtil, ein Dracula-Gebiss als Zahnschiene. Der Zerrissene ist aber kein Böser, eher ein Sanft-Naiver. Und sein Darsteller, Željko Marović, bemüht sich wirklich redlich, Wörter wie „sowieso“ in Stoasteirisch und „kralewatschet“ zu erlernen.
Bis zur Pause (die gestrichen wurde) ist manches erzwungen, danach aber gewinnt Nestroy die Oberhand, auch wenn aus dem Kipferl ein Croissant wird. Das liegt in erster Linie an Franz Solar. Der altgediente Komödiant ist noch so ein Krautkopf mit Kopfweh, wie man sich ihn vorstellt.
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