Filmstar, Sängerin, Bestsellerautorin: Die Künstlerin im Doku-Porträt „Ich will alles. Hildegard Knef“ – ab Freitag im Kino.
Die Regisseurin Luzia Schmid entwirft in ihrer Kino-Doku „Ich will alles. Hildegard Knef“ ein schillerndes Porträt der großen deutschen Nachkriegskünstlerin und lässt auch deren Tochter zu Wort kommen.
Sechs Sekunden nackte Haut reichten aus für einen der größten Skandale des deutschen Nachkriegskinos. Mit harter Keule traf er Hildegard Knef, damals gerade 25 Jahre alt, und bestrafte sie für ihren Auftritt in Willi Forsts „Die Sünderin“ von 1951: „Er machte den Produzenten reich und mich lächerlich“, sollte „die Knef“, Deutschlands erster großer Nachkriegsstar, später über „diese Empörung, die Auschwitz vergessen ließ“, sagen.
Tatsächlich stand „die Hysterie, mit der Hildegard Knef fertiggemacht wurde, in keinem Verhältnis zu dem Film“, meint auch Luzia Schmid, Regisseurin der aufschlussreichen Doku „Ich will alles. Hildegard Knef“ (ab Freitag im Kino) im KURIER-Gespräch: „Einerseits geht es um eine Verdrängungsleistung der deutschen Öffentlichkeit nach dem Krieg. Und andererseits entladet sich der Hass auf eine Person, die versucht hat, aufzubrechen, etwas hinter sich zu lassen – und die für ein modernes Deutschland steht.“
„Modern“ ist das entscheidende Stichwort, unter dessen Schlaglicht die Schweizer Dokumentaristin Hildegard Knef ins Visier nimmt: „Sie war eine moderne, selbstbestimmte, emanzipierte Frau“, findet Schmid: „Sie war ihrer Zeit voraus.“
Erster Nachkriegsfilmstar
Am Ende des Zweiten Weltkrieges ist Hildegard Knef 19 Jahre alt. Von dem „wilden Ehrgeiz angetrieben, die Beste zu werden“, spielt sie in dem ersten deutschen Nachkriegsfilm „Die Mörder sind unter uns“ (1946) von Wolfgang Staudte und wird zum Nachkriegsfilmstar. Der große Erfolg „raubte mir schier den Verstand“, bekannte Hildegard Knef später, denn sie nahm ein Angebot aus Amerika an – „ein Fehler, den ich mir nicht verzeihe“: Produzent David O. Selznick holte sie 1948 mit einem Vertrag nach Hollywood und legte sie dort „auf Eis“: Drei Jahre lang erhielt Hildegard Knef keine Rolle in den USA und kehrte erst mit Forsts „Die Sünderin“ skandalumwittert nach Deutschland zurück.
Erster deutscher Filmstar nach dem Zweiten Weltkrieg: Hildegard Knef
Jahre später sollte sie ihren ausständigen Erfolg in den USA auf dem Broadway nachholen. Dort stand sie ab 1955 zwei Jahre lang in „Silk Stockings“, der Musicalversion von Ernst Lubitschs Greta-Garbo-Film „Ninotschka“, auf der Bühne: „Cole Porter hat mich zum Singen gekriegt“, so Knef lapidar. Und Marlene Dietrich fand ihren Auftritt „fabelhaft“.
Knefs rauchig-tiefe Stimme wurde bald zum Markenzeichen, eröffnete ihr eine Musikkarriere und gipfelte in (oft selbstironischen) Chanson-Klassikern wie „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ oder „Von nun an ging’s bergab“.
Einen weiteren Karrierehöhepunkt erreichte sie mit ihrer Autobiografie „Der geschenkte Gaul“ (1970), der nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA die Bestsellerlisten anführte.
Lässig und cool
Für Luzia Schmid ist Hildegard Knef „eine große Künstlerin, die es heute zu entdecken gilt“. Sie selbst war ursprünglich „gar nicht so der große Knef-Fan“, als sie den Auftrag für die Doku übernahm. Doch schon nach den ersten Recherchen war sie „schockverliebt“. Da gibt es beispielsweise dieses Interview mit Friedrich Luft, in dem die Schauspielerin über ihre Zusammenarbeit mit Filmemacher wie Carol Reed und Julien Duvivier spricht und zu dem lakonischen Schluss kommt, dass sie „mit guten Regisseuren keine guten Filme gemacht hat“.
„Dann lacht sie und zündet sich eine Zigarette an“, sagt Luzia Schmid begeistert. „Und ich dachte mir: Wie lässig, wie cool. Wer würde das heute noch so sagen?“
Überhaupt findet Schmid im Leben der Knef sehr viel Heutiges – etwa ihre Beziehung zu einem jüngeren Mann, die Vereinbarkeit von Karriere und Beziehung oder ihre späte Mutterschaft: „All diese Punkte sind total heutig. Das war eine echte Entdeckung.“ Auch aus ihrer Schönheits-OP machte Hildegard Knef keinen Hehl, räumte aber später ein, dass die OP ein Fehler war, den sie nicht nochmals machen würde.
Regisseurin Luzia Schmid (re.) neben Knef-Tochter Christina Palastanga
In ihrer Doku „Ich will alles. Hildegard Knef“ kompiliert Schmid Archivmaterial von Interviews, Filmrollen und Bühnenauftritten. Sie lässt dabei in erster Linie Hildegard Knef selbst zu Wort kommen – mit wenigen Ausnahmen wie Knefs Tochter Christina Palastanga, die mit liebevollem Respekt von ihrer Mutter spricht (lesen Sie dazu ein Interview in der KURIER-freizeit am Samstag).
„Christina ist total klug“, sagt Luzia Schmid sichtlich beeindruckt von ihrer Interviewpartnerin: „Sie hat nie öffentlich mit ihrer Mutter abgerechnet, wie es etwa die Tochter von Marlene Dietrich tat. Das würde Christina nie machen. Sie hat großen Respekt vor der Künstlerin, die ihre Mutter war.“
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