Herbert Föttinger: Der Marathonmann in der Josefstadt

Ein Schreibtisch mit Aktenordnern, einem Stempel, einer Kaffeetasse und abgelehnten Dokumenten, über dem ein Paragraphenzeichen an einem Spinnenfaden hängt.
Das (fiktive) Kulturamt überprüft, wie oft der Direktor selbst auf der Bühne steht. Und ob man sich Sorgen um das Theater machen muss.

Sehr geehrtes Kulturamt!

Jetzt sind es nur noch ein paar Monate, dass das Theater in der Josefstadt von Herbert Föttinger geleitet wird. Ich sehe ihn auch sehr gerne auf der Bühne und wende mich daher mit einem Antrag an Sie: dass er bis zum Abschied möglichst jeden Abend selbst spielt. Wer weiß, ob und wo man ihn danach noch sehen wird. Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft dieses Hauses.

Mit freundlichen Grüßen, S. C.

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Sehr geehrte S. C.,

vielen Dank für Ihr Schreiben und für Ihren Antrag, dessen Einlangen wir hiermit bestätigen (Geschäftszahl 26/2025). Eine Sorge können wir Ihnen nehmen: Die Josefstadt ist recht krisenfest, die aktuelle Intendanz ist der Beweis dafür. Von Amts wegen sehen wir daher optimistisch in die Zukunft.

Was Ihr eigentliches Anliegen betrifft, die Erhöhung der Bühnenpräsenz des schauspielenden Direktors, müssen wir jedoch abwinken. Abgesehen davon, dass der Nämliche solchen Ratschlägen gegenüber resistent sein dürfte, wissen wir beim besten Willen nicht, wie eine Steigerung möglich wäre.

Wir haben in unserem Amt eigens eine Arbeitsgruppe einberufen, die seine Auftritte zu dokumentieren versucht, für einen Mitarbeiter allein wäre das kaum überschaubar. Das Ergebnis der Überprüfung des Spielplanes brachte zutage, dass H. F. bis Weihnachten 16 Mal auf der großen Bühne in der Josefstädter Straße steht und möglicherweise vier Mal auf jener der Kammerspiele. Dort ist er beim Stück „Sie sagt. Er sagt.“ alternierend mit seinem erstklassigen Kollegen Ulrich Reinthaller angekündigt.

Die 16 Auftritte im Theater in der Josefstadt umfassen die Hauptrolle im „Theatermacher“ (17. und 18. 11., 10., 11., 15., 16. und 20. 12.), in den „Sonny Boys“ (27., 28. und 29. 11. sowie 1., 4., 6., 7. und 12. 12.), dazu den Dr. Aigner in „Das weite Land“ (26. 11.). Dass er nebenbei eine Vorstellung von Marika Lichter szenisch einrichtet, scheint uns vergleichsweise nebensächlich.

Nun wollen wir nicht hintanstehen, diesen Fleiß zu würdigen, mit Abendspielgagen hat das ja bestimmt nichts zu tun. Wir im Kulturamt sind jedoch primär an künstlerischer Hervorbringung interessiert, und da fällt auf, dass sich der Intendant Rosinen herauszupicken scheint. Das hat an Bühnen mit schauspielenden Chefs Tradition, wohl aber nicht in dieser Intensität. Jedenfalls dürfte der Direktor bei Besetzungsfragen regelmäßig zum Schluss kommen: Das kann ich selbst am allerbesten. Auftritte seinerseits in „Das Vermächtnis“ oder „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ sind übrigens nicht aktenkundig.

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