Die Kultur im Kanzleramt: Das gab es schon in der Geschichte. Erstmals in den Jahren 1997 bis 2000, als Viktor Klima (SPÖ) "Kunstkanzler" war - und Peter Wittmann, zuvor SP-Bürgermeister von Wiener Neustadt, Staatssekretär für Kunst und Kultur. Die Szene äußerte sich damals wenig wohlwollend. Was auch daran lag, dass Wittmann in Fettnäpfchen trat und keinen Stallgeruch hatte. Wiener Neustadt hatte bloß mit ein paar Oper-Air-Konzerten von sich reden gemacht.
Und nun könnte es, wenn der Wunsch von FPÖ-Chef Herbert Kickl in Erfüllung geht, eine Neuauflage geben: Er will als Kanzler auch für die Kunst- und Kulturagenda zuständig sein. In der ÖVP dürften einige nichts dagegen haben. Denn mit der Kultur kann man strategisch nicht viel ausrichten und auch keine Pfründe sichern. Andere Bürgerliche sind entsetzt. Für sie ist das Bekenntnis zur Kultur ähnlich bedeutend wie jenes zur EU. Die ÖVP dürfte in dieser Frage daher vor einer Zerreißprobe stehen.
Helga Rabl-Stadler, ehemalige ÖVP-Politikerin und dann langjährige Präsidentin der Salzburger Festspiele, hatte sich eigentlich vorgenommen, die innenpolitischen Entwicklungen nicht zu kommentieren.
Aber nun bricht die 76-Jährige, seit dem Sommer 2022 Sonderberaterin für Auslandskultur im Außenministerium, ihr Schweigen. Einer Jeanne d'Arc gleich warnt sie gegenüber dem KURIER:
"Es darf nicht sein, dass mit Kickl ein offenkundiger Verächter von Kunst und Kultur deren einziger und oberster Ansprechpartner in der Regierung wird. Kickl bekämpft die Freiheit der Kunst, die Pressefreiheit, die Freiheit der Meinungsäußerung. Künstler als Seismographen der Gesellschaft sind ihm unheimlich. Die Salzburger Festspiele verunglimpft er als Inzuchtverein. Kickl als Kunstkanzler wäre ein Schaden für unser Land. Es gilt, den Ruf unseres territorial so kleinen Österreichs als Kulturgroßmacht zu retten."
Rabl-Stadler hofft, dass sich ihrem Aufruf viele aus den bürgerlichen Reihen anschließen. Erwin Pröll, Altlandeshauptmann aus Niederösterreich, pflegte und pflegt enge Freundschaften mit Künstlern über ideologische Grenzen hinweg, darunter mit Hermann Nitsch und Peter Turrini. Er sagt, auf Herbert Kickl angesprochen, zum KURIER:
"Wer als Minister dem Kulturstandort Österreich dienen will, der muss die Kulturschaffenden achten und schätzen. Er braucht eine weltoffene und tolerante Haltung in unserer Gesellschaft. Wer glaubt, bestimmen zu können, was Kunst und Kultur zu sein hat, hat in der Kulturpolitik nichts verloren." Pröll weiter: "Das Kulturland Österreich genießt weltweit einen ausgezeichneten Ruf. Dieser Ruf darf nicht zerstört werden!"
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