Oder handelt es sich dabei um einen Fall von „Jewfacing“, wie es die US-Comedian Sarah Silverman in Anlehnung an die rassistische Praxis des „Blackfacing“ – bei der sich weiße Schauspieler schwarze Farbe ins Gesicht schmierten – salopp formulierte?
Diese Debatte flammte auf, nachdem bekannt geworden war, dass der israelische Regisseur Guy Nattiv für seinen Bio-Pic-Film „Golda“ die Oscarpreisträgerin für die Rolle der „Eisernen Lady von Israel“ engagiert hatte. Er habe Helen Mirren getroffen und sofort das Gefühl gehabt, sie hätte eine „jüdische Seele“, verteidigte Nativv seine Entscheidung. Zudem sei der Rest der Besetzung fast ausschließlich mit israelisch-jüdischen Schauspielern besetzt: „Für mich hat es sich absolut authentisch angefühlt.“
„Golda“ fokussiert sich auf den Jom-Kippur-Krieg zwischen 6. und 25. Oktober 1973 und die militärischen Entscheidungen, die Golda Meir treffen musste. Ägypten und Syrien hatten am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur einen Überraschungsangriff auf Israel gestartet. In den ersten beiden Tagen konnten die Streitkräfte vorrücken, ehe sich das Blatt zugunsten Israels wendete. Golda Meir wurde als Heldin gefeiert, aber auch für die hohe Opferzahl an Soldaten verantwortlich gemacht.
Erst im Jahr 2000 wurden Dokumente veröffentlicht, die die Abläufe im War Room detaillierten und das Bild von Meir als Hardlinerin des Krieges zurechtrückten.
Nativv entwirft in seinem packenden Kammerspiel das vielschichtige Porträt einer Frau, die sich in einer (militärischen) Männerrunde behaupten muss. Was niemand weiß: Meir leidet an Krebs und muss sich heimlich bestrahlen lassen. Das hält sie aber nicht davon ab, harte Entscheidungen zu treffen und ihren Verbündeten, US-Außenminister Henry Kissinger, in die Mangel zu nehmen. Ketterauchend und mit geschwollenen Beinen schleppt sie sich zu den Sitzungen. Helen Mirren verschwindet gänzlich in ihrer faszinierenden und einfühlsamen Verkörperung von Golda Meir: Wenn es um die richtige Besetzung einer Rolle geht, ist Empathie das Schlüsselwort.
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