Heimische Streaming-Plattform: Das Kino soll lei(n)wand bleiben

„Female Voices“ im Kino VOD Club: Jessica Hausners exzellentes, schwarzhumoriges Drama „Amour Fou“
Die Streaming-Plattform Kino VOD Club für österreichisches Kino ist als bestes Lockdown-Format für eine ROMY nominiert

Die Überraschung war groß und „die Freudensprünge weit zu hören“, geben Alexander Syllaba und Clemens Kopetzky, Betreiber der Streamingplattform Kino VOD Club für österreichisches Kino, gegenüber dem KURIER via eMail zu: „Eine ROMY-Nominierung für unser neues Projekt in einem umkämpften Umfeld hilft sehr der Bekanntheit und ist eine Auszeichnung. Gerade im Lockdown zeigt unser neuartiges Projekt seine besondere und einzigartige Stärke.“

Heimische Streaming-Plattform: Das Kino soll lei(n)wand bleiben

Clemens Kopetzky und Alexander Syllaba (re.): Gründer des Kino VOD Clubs

Kino VOD Club – Österreichisches Kino für zuhause – nennen Syllaba und Kopetzky das Video-on-Demand-Angebot für österreichische Kinofilme (www.vodclub.online), das sie 2017 gegründet haben. Ihre Erfahrung als Betreiber der Programmkinos Cinema Paradiso in St. Pölten und Baden inspirierten sie zu diesem Projekt: „Das Publikum sieht Kinofilme in erster Linie bei uns im Kino, aber auch danach auf Streamingplattformen. Sich als Kino dagegen zu wehren ist zu wenig. Wir wollten aktiv mit dem sich veränderten Seher*innenverhalten umgehen und erstmals auch die Kinos und die Filmemacher*innen an der Online-Filmverwertung teilhaben lassen. Jetzt geht der Großteil unserer ‚VOD online Tickets‘ an die Kinos und die Filmemacher*innen’.“

Derzeit sind knapp 500 österreichische Kinofilme von zu Hause abrufbar, darunter eine Auswahl an 100 Titeln über den KURIER VOD Club (kurier.vodclub.online). Das Angebot reicht von Austro-Klassikern wie Michael Hanekes „Benny’s Video“, Barbara Alberts „Nordrand“ und Jessica Hausners „Amour Fou“ bis hin zu Dokumentarprachtstücken wie Nikolaus Geyrhalters Großbaustellen in „Erde“ oder Ruth Kaserers „Gwendolyn“, dem feinfühligem Porträt einer Weltmeisterin im Gewichtheben.

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Dreifache Weltmeisterin im Gewichtheben: "Gwendolyn“ von Ruth Kaserer

Syllaba und Kopetzky verstehen den Kino VOD Club als gemeinschaftliche Initiative von österreichischen Kinos, Produzenten und Produzentinnen und Filmemachern und Filmemacherinnen: „Diese drei Säulen der Filmverwertung profitieren gleichermaßen von dieser digitalen Infrastruktur für den Österreichischen Film.“ Ein Großteil der österreichischen Kinolandschaft – vom Landkino über das Arthousekino bis hin zu den Multiplexen – macht mit: „ An die 60 Kinos in ganz Österreich bieten in ihren eigenen Kino VOD Clubs Kinofilme an.“ Von jedem VOD-Ticket profitieren die Kinos und die Filmemacherinnen und -macher. Somit sei man „mehr als nur ein weiterer Streaminganbieter.“

Durch den Plafond

Seit Ausbruch von Corona seien die Zugriffszahlen „durch den Plafond“ gegangen, berichten Syllaba und Kopetzky. Zudem können in Zeiten der Pandemie Filmpremieren wie etwa Daniel Hoesls und Julia Niemanns „Davos“ online präsentiert werden und Filmfestivals in Hybridvarianten oder ganz online stattfinden.

Es gibt auch so etwas wie „Blockbuster“ im heimischen Streamingangebot: Zu den Filmen, die sich beim Publikum der größten Beliebtheit erfreuen, zählen Sabine Derflingers Politikerinnen-Doku „Die Dohnal“ ebenso wie Josef Haders Midlife-Crisis in „Wilde Maus“, Arman T. Riahis Migrationshintergrundskomödie „Die Migrantigen“ oder Johanna Moders Wohlstandssatire „Waren einmal Revoluzzer“. Auch stellt derzeit das Special „Female Voices“ gezielt das Filmschaffen von Frauen in den Fokus.

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Fast schon ein Klassiker: Barbara Alberts wunderbares Spielfilmdebüt "Nordrand"

Natürlich kann ein Online-Angebot das Kino nicht ersetzen – darüber sind sich die Gründer des Kino VOD Clubs klar. Aber neben der digitalen Filmauswertung gehe es auch darum, die Kinos im Bewusstsein des Publikums präsent zu halten: „In Zeiten, wo Kinos monatelang gesperrt sind, bleibt so der Kontakt zum Publikum aufrecht.“

Trotzdem muss man sich fragen, welche Chancen eine Plattform für österreichisches Filmschaffen neben Streamingriesen wie Netflix hat? Wer greift auf diese Filme zu?

Es handle sich um Filmliebhaber und -liebhaberinnen, denen die österreichische Kino- und Filmlandschaft am Herzen liege, so die Einschätzung von Syllaba und Kopetzky: „Nachhaltiges und solidarisches Streamen ist für diese Gruppe ebenso essenzieller Bestandteil ihres Lifestyles wie auch die Unterstützung des lokalen Kinoanbieters. All das können und wollen Netflix und Co. gar nicht bieten.“

In einem aber sind sich die Kinobetreiber sicher: „Je länger der Lockdown dauert, desto größer wird die Sehnsucht nach dem Kino. Für uns als Kinos wird es essenziell sein, dieses heftige Jahr 2021 zu überleben. Das werden wir schaffen, aber nicht ohne verstärkte Förderung seitens der Bundespolitik. Ein Investment, das sich nachhaltig rechnen wird. Das Kino wird weiterleben und Premiumanbieter bleiben.“

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