Hände hoch für Marteria

Alle haben 'nen Job, ich hab Langeweile. Keiner hat mehr Bock auf Kiffen, Saufen, Feiern": Diese Zeilen aus dem Song "Kids (2 Finger an den Kopf)" machten Marten Laciny alias Marteria zum deutschen Hip-Hop-Star der Stunde. Nach einem kurzen Intro, in dem sich die Rhythmusformation inklusive drei Background-Sängerinnen einmal eingrooven darf, sucht ein gut gelaunter Marteria im Song „OMG!“ den Himmel. Die Fans suchen lautstark mit. Die Hände sind dabei gen die Decke gerichtet, werden zu den minimalistischen Beats und funky Saxophon-Samples in Richtung Bühne geschwenkt. Dort steht Marteria und winkt artig zurück.
Abwechslung sucht man in den anfangs nahtlos aneinander gereihten Liedern vergebens, zu ähnlich und ideenlos wirkt das soundtechnisch. Zum Glück besitzt das bärtige Ex-Model, das beinahe Fußball-Profi geworden wäre, eine schnelle Zunge, ein scharfes Auge, Beobachtungen, die er geschickt in Worte zu übersetzen weiß. Gesellschaftskritik kommt bei Marteria stets mit einem Augenzwinkern um den Häuserblock. „Alle mähen Rasen, putzen ihre Fenster. Jeder ist jetzt Zahnarzt, keiner ist mehr Gangster“, heißt es etwa im eingangs zitierten Song. Schon lange hat niemand mehr das Lebensgefühl seiner Generation so akkurat in Worte verpackt wie Marteria. In "Bengalische Tiger", das textlich voller unterschwelliger Gewalt strotzt, wird mitten im Publikum ein Bengale gezündet: „Und ich stell mich unter das rote Licht. Gib' mir Schutz, in meiner Hand Pyro“, singt Marteria dazu im Refrain. Nach gut 45 Minuten hat er beinahe zur Gänze sein aktuelles Album "Zum Glück in die Zukunft II" durchgespielt. Erster Abgang.
Alter Ego
Minuten später kehrt Marteria als sein Alter Ego Marsimoto zurück. Jetzt versteckt er sein bärtiges Gesicht hinter einer Maske, seine sonst so brummige Stimme wird in Richtung Mickey Maus hochgepitcht und seinen Wohlstandsbauch hüllt er mit ein silbernen Glitzerkostüm. Auch die Atmosphäre, der Klang verändern sich: Dichte Nebelschwaden, grünes Licht, eine grob verzerrte E-Gitarre trifft auf deepe, dreckige Kiffer-Beats. Viele im Saal erinnern sich an die lustige Zigarette, die so vor dem Konzert geraucht haben: "Yeah, mit diesem Sound fährt das Zeug erst so richtig fein ein...".
Nach vier Songs ist Marsimoto auch wieder Geschichte. Der 32-Jährige kehrt als Marteria und mit Songs wie „Verstrahlt“ wieder. Nach knapp zwei Stunden unermüdlichem Herumgehüpfe auf der Bühne ist dann Schluss. Am Ende zwingt er die komplette Halle diktatorisch auf die Knie: „Alle oder keiner! Alle oder keiner...“. Der Rapper als fanatischer Einheizer - diese Rolle beherrscht Marteria.
KURIER-Wertung:
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