Graz in abseitigen Ansichten: „Hoch lebe der Unfug!“

Der Germanist Gerhard Melzer, 1950 geboren und im Forum Stadtpark quasi aufgewachsen, ist mitverantwortlich dafür, dass Graz für Jahrzehnte zumindest die heimliche Hauptstadt der deutschsprachigen Literatur blieb. Er war befreundet mit Alfred Kolleritsch, Wolfgang Bauer und all den anderen, die in seiner Heimatstadt wirkten. Zudem ist er ein Kenner des Werks von Peter Handke (der Autor dieser Zeilen schwärmt noch immer von einem Seminar über dessen Tetralogie „Langsame Heimkehr“ 1982).
Nach seiner Pensionierung als Gründungsdirektor des Grazer Literaturhauses (bis 2015) machte Melzer es Handke nach: Er streifte umher. Aber nicht durch die Wälder rund um Chaville, sondern kreuz und quer durch Graz. Nun veröffentliche er über die Stadt ein Buch, das (auch wenn Paul Nizon erwähnt wird) wenig mit Literatur zu tun hat: „Auf nach Graz. Zu Fuß durch 1170 Kilometer Stadt“ ist in erster Linie ein grandioser Fotoband, streng wissenschaftlich angeordnet: Weil es 17 Bezirke gibt, wählte Melzer 17 zum Teil abseitige Themen aus – und stützt diese Thesen mit je 17 Belegen und 17 Selbstporträts als Schattenriss.
Als Motto diente ihm eine Weisheit von Werner Herzog, die von Handke stammen könnte: „Nur wer geht, sieht die Mäuse.“ Zum Glück führt Melzer die Schauplätze an. Denn in den Bildern – etwa von herrenlosen Einkaufswagerln – erkennt man die Stadt nicht wieder. „Auf nach Graz“ ist dennoch ein literarisches Buch. Denn Melzers Blick blieb oft an gesprayter Alltagspoesie und kruden Botschaften hängen, darunter „Vom Uhrturm fallen verboten!“ Und: „Hoch lebe der Unfug!“
Gerhard Melzer: „Auf nach Graz. Zu Fuß durch 1170 Kilometer Stadt“, Sonderzahl, 244 Seiten, 34 Euro
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