Filmstar Lupita Nyong’o: „Ich habe Kakerlaken beobachtet“

Filmstar Lupita Nyong’o: „Ich habe Kakerlaken beobachtet“
Die Oscarpreisträgerin spielt eine faszinierende Doppelrolle in Jordan Peeles Horrorfilm „Wir“

Mit ihrer ersten Spielfilmrolle katapultierte sich Lupita Nyong’o in den Olymp von Hollywood: Für ihre Darstellung als Sklavin in „12 Years a Slave“ wurde sie mit dem Oscar als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet. Danach sah man die in Mexiko-City geborene und in Kenia aufgewachsene Schauspielerin in „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ und zuletzt in Marvels „Black Panther“. In den mit großer Spannung erwarteten Horrorfilm „Wir“ (Filmstart: Donnerstag) von Jordan Peele spielt Lupita Nyong’o nun eine Ehefrau und Mutter, die während des Familienurlaubs plötzlich mit ihrem bösartigen Zwilling konfrontiert wird.

KURIER: Sie leisten in diesem Film doppelte Arbeit: Sie spielen zwei unterschiedliche Charaktere in zwei unglaublichen Darstellungen. Wie haben Sie zu beiden gefunden?

Lupita Nyong’o: Ich habe sie in Jordan Peeles Kopf gefunden! (lacht) Er hat mir einen wirklich guten Fahrplan für die Rollen gegeben und war immer darauf bedacht, dass beide dreidimensional sind. Das war die Herausforderung für mich. Er gab mir sehr spezifische körperliche Anweisungen. Die Körpersprache war eine Manifestation des emotionalen Zustands dieser Frauen. Adelaide, die Ehefrau und Mutter, ist der Inbegriff des amerikanischen Traums. Meine Darstellung von ihr war sehr naturalistisch. Außerdem ist sie Tänzerin, also nahm ich Ballettunterricht, was sehr schwierig war. (lacht) Bei der Doppelgängerin Red war mein Ansatz stilistischer. Jordan beschrieb sie als „Königin“ und „Kakerlake“. Also habe ich Kakerlaken beobachtet. (lacht) Obendrein musste ich für Red eine sehr spezifische Stimmqualität entwickeln. Ich ließ mich von einer neurologischen Erkrankung namens laryngeale Dystonie inspirieren, die durch Trauma hervorgerufen wird, was zu Sprechkrampf führt. Also habe ich mit einem Vocal Coach gearbeitet, damit ich mich dabei nicht verletze.

Welche Art von Einfluss kann ein Film wie „Wir“ in einem polarisierten Amerika haben?

Solche Filme sind zu kulturellen Ereignissen geworden. Sie entfachen ein Gespräch zwischen Menschen, die unter anderen Umständen vielleicht nicht miteinander sprechen würden. Es kann eine Menge Gutes entstehen, wenn wir Perspektiven hören, an die wir nicht gewöhnt sind. Darum geht es in diesem Film, um die Art und Weise, wie wir unsere Augen vor den Monstern verschließen, die wir mitunter selbst kreieren. So ein Film ist eine schmackhafte Art und Weise, unsere eigenen Dämonen zu ergründen.

Als Sie Ihre Rolle in „12 Years a Slave“ bekamen, für die Sie als Beste Nebendarstellerin einen Oscar gewonnen haben, haben Sie gesagt, dass Sie viele Selbstzweifel und Ängste hatten. Wie geht es Ihnen heute damit?

In „Wir“ geht es darum, wie wir unser eigener, schlimmster Feind sein können, und ich bin jedes Mal mein schlimmster Feind, wenn ich an einem Projekt arbeite. Es beginnt immer mit Zweifel. Und es beginnt immer mit Angst, weil ich immer an etwas arbeite, das ich noch nie gemacht habe. Also gibt es diese Angst vor dem Unbekannten. Ich bin mit all den Dingen konfrontiert, die ich noch nicht über den Charakter weiß. Und in diesem Film hatte ich sogar zwei Charaktere. Also hatte ich große Angst. Ich war fast gelähmt.

Es gibt eine Szene zwischen Ihnen und Ihrer Doppelgängerin, die sehr emotional ist. War das unangenehm für Sie?

Ein Horrorfilm bietet uns die Chance, gemeinsam etwas Dunkles zu erforschen. Und für mich als Schauspielerin, die diese Art von Dunkelheit spielt, hatte das therapeutische Wirkung. Weil es eine Gelegenheit für mich ist, Dinge in meiner Persönlichkeit zu ergründen, die normalerweise nicht das Licht der Welt erblicken, weil sie gesellschaftlich nicht akzeptabel sind. Deshalb mögen wir Horrorfilme. Wir gehen alle in diesen Raum, um Angst zu haben und abscheuliche Dinge zu sehen, aber wenn wir das Kino wieder verlassen, ist alles gut. (lacht) Also war es für mich als Schauspielerin die Erlaubnis, die dunklen Ecken meiner Psyche zu untersuchen.

Ist Ihnen die Repräsentation von afroamerikanischen Menschen im Kino wichtig?

Ich bin daran interessiert, Reflexionen von mir selbst zu sehen, denn das ist etwas, mit dem ich nicht aufgewachsen bin. Allein die Tatsache, dass wir eine schwarze Familie im Kern eines Horrorfilms haben, ist eine Errungenschaft, weil es etwas ist, dass wir nicht oft erleben. Aber Hautfarbe ist nicht das Thema des Films. Sie ist eigentlich ziemlich nebensächlich in dieser Geschichte – und das ist an sich ein sozialer Kommentar. Dass die Norm manchmal schwarz sein kann und andere Menschen sich darauf beziehen können, genauso, wie wir uns auf Menschen beziehen können, die anders aussehen als wir.

Mögen Sie Horrorfilme denn?

Das kann ich nicht behaupten. (lacht) Ich mag es, Leute zu erschrecken, aber ich mag es nicht, erschreckt zu werden. Als ich die Rolle übernahm, wusste ich nicht, dass ich mir gruselige Filme ansehen musste. Jordan hat mir zehn Filme als Hausaufgabe gegeben. Es war schwer!

Welche Filme mussten Sie sich denn ansehen? „Shining“, „Die Vögel“, „Funny Games“ und „Der Babadook“, zum Beispiel.

Nicht schlecht. „Get Out“ auch? Das hatte ich schon längst gesehen! Fünf Mal innerhalb von einem Monat.

Und das, obwohl Sie Horrorfilme gar nicht so mögen?

Ich wusste ja nicht, dass es ein Horrorfilm war. Jordan Peele war bekannt als Comedian. Ich ging also sehr blind ins Kino, aber es war nicht nur ein Horrorfilm. Es war lustig, und es war spannend, und es war ein sozialer Kommentar, in dem das Monster der Rassismus war. Es war ein Geniestreich von Jordan und wies auf die kulturellen Dynamiken in diesem Land hin.

Sie arbeiten an einem Kinderbuch. Ist das eine andere Art, Ihre Stimme einzusetzen? Ich folge einfach meinem Instinkt. Viele von uns versuchen, die Wunden unserer Kindheit zu heilen. Auch in „Wir“ sehen wir das. Adelaide ist eine Frau, die seit ihrer Kindheit von einem Trauma geplagt wird. Mein Buch ist ein Weg, um diese Wunde der Unzulänglichkeit aus meiner Kindheit zu heilen.

Wie wichtig ist es für Sie, einen Künstler wie Jordan Peele in Hollywood zu haben? Er ist ein Visionär. Er erhöht das Genre. Er erhöht das Kino. Und er erhöht das Publikum, das seine Filme sieht. Ich kann mich glücklich schätzen, in einer Zeit zu leben, in der Jordan Peele existiert.

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