Filmkritik zu "Wie kommen wir da wieder raus?": Vegane Weihnachtsgans
Kurz vorm Ausflippen: Caroline Peters als gestresste Wanda beim familiären Weihnachtsfest
Die Wunschliste zu Weihnachten kann ganz schön lang werden. Vor allem die Liste der Unverträglichkeiten: Um ein Menü zwischen halal, vegan, glutenfrei, laktosefrei und histaminarm auf den Tisch zu zaubern, bedarf es einiger Fantasie. Kein Problem für die patente Ärztin, Mutter und (geschiedene) Ehefrau Wanda: Um ihre Patchwork-Familie zu einem möglichst friedlichen Weihnachtsfest um ihren Tisch versammeln zu können, schiebt sie enthusiastisch eine vegane Gans ins Rohr.
Der Erfolg der Fake-Gans ist bei den Gästen allerdings mäßig. Dann schon lieber der echte Sliwowitz, den ein Überraschungsgast mitgebracht hat. Er eignet sich besser zur allgemeinen Nervenberuhigung als der alkoholfreie Rotwein.
Dass beim Familientreffen die Culture-Clash-Wogen hoch spritzen, weiß man bereits aus dem ersten Teil von Eva Spreitzhofers Erfolgskomödie „Womit haben wir das verdient?“ von 2018. Damals schockierte Tochter Nina ihre getrennten Eltern Wanda und Harald mit ihrem Übertritt zum Islam. Caroline Peters und Simon Schwarz in den Hauptrollen stießen als gestresstes Ex-Ehepaar mit komödiantischem Esprit an die Grenzen ihrer Toleranz.
Auf Besuch: Simon Schwarz und Hilde Dalik in "Wie kommen wir da wieder raus?"
Eine Pandemie später ist die Welt nicht einfacher geworden. „Alle sind übergeschnappt seit Corona“, muss Wanda feststellen, während aus ihrem Autoradio möglichst laut „Feliz Navidad“ plärrt, um die Demonstrationsschreie der Corona-Gegner zu übertönen. Wo viele die „gesellschaftlichen Gräben zuschütten“ wollen, zieht Wanda ihre klare Grenze: Zum Weihnachtsfest ist ihr Vater, ein überzeugter Corona-Leugner und Querdenker, nicht eingeladen. Dafür versammelt sich der Rest von Wandas Familie am festlichen Diskurs-Tisch und verhandelt lautstark seine Befindlichkeiten.
Im Weihnachtsstress: Marcel Mohab und Caroline Peters in "Wie kommen wir das wieder raus?"
Ungeimpftes Sperma
Tochter Nina (Chantal Zitzenbacher) ist zwar keine gläubige Muslima mehr, trägt aber weiter Hijab und verkündet, eventuell Trans-Mann werden zu wollen. Ihre Anwaltsschwester Klara (Anna Laimanee) trumpft im Gegenzug mit der Mitteilung auf, einen „echten“ trans Mann zu heiraten.
Wandas vernachlässigter Ehemann Tony (Marcel Mohab) will derweil mit seinem schwindligen Bruder Peter (Michael Ostrowski) ein Online-Geschäft mit „ungeimpftem Sperma“ beginnen.
Und Haralds bezopfte Frau Sissy (Hilde Dalik) outet sich als esoterische Heilpraktikerin.
Streit unter den Geschwistern in "Wie kommen wir da wieder raus?"
Zwischen „Das wird man wohl noch sagen dürfen“, „Gender-Wahn“, aufrechter Wokeness und Kritik am Asylrecht schöpft Drehbuchautorin und Regisseurin Eva Spreitzhofer aus den Tiefen aller Trigger-Themen, die unsere Gesellschaft in Aufruhr versetzen. Gerade durch seine möglichst breite Streuung jedoch verliert das Witz-Repertoire manchmal an Treffsicherheit, wettgemacht durch den Enthusiasmus eines überaus spielfreudigen, sympathischen Ensembles. Die famose Caroline Peters steht wieder als liberale Stimme der Vernunft im Zentrum der weltanschaulichen Brandung, während ihr besonders die superbe Hilde Dalik als Sissy mit ihrer gekonnt hinterhältigen Freundlichkeit auf die Nerven geht. Am Ende von Eva Spreitzhofers lose inszenierter Sittenbild-Sitcom ist dann aber eh wieder „alles Roger in Kambodscha“, und die ganze Familie tanzt zusammen unterm Christbaum – natürlich bio und nachhaltig gepflanzt im Topf.
INFO: Ö 2023. 90 Min. Von Eva Spreitzhofer. Mit Caroline Peters, Hilde Dalik, Simon Schwarz.
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